Alternierende Obhut

Am 1. Januar 2017 tritt die Änderung des Zivilgesetzbuches vom 20. März 2015 in Kraft, mit der der Kinderunterhalt neu geregelt wird. Ausserdem fügte der Gesetzgeber folgendede Bestimmung ein:

Art. 298 ZGB
2ter Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.

Art. 298b ZGB
3ter Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft sie im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.

Die erste Bestimmung bezieht sich auf verheiratete bzw. getrennte oder geschiedene Eltern, die zweite Bestimmung auf unverheiratete Eltern.

Unter Obhut versteht man heute nur noch die faktische Obhut, nämlich die konkrete Betreuung des Kindes, und nicht mehr das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Alternierende Obhut ist gleichbedeutend mit hälftiger Betreuung. Auch wenn die gemeinsame elterliche Sorge nun der Regelfall ist, schafft diese Bestimmung keinen Rechtsanspruch auf eine alternierende Obhut. Schliesslich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob eine alternierende Obhut angeordnet wird. Allerdings müssen die Gerichte berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die alternierende Obhut fördern wollte.

Der Bundesrat führte in der Botschaft vom 29. November 2013 dazu Folgendes aus:

In der Vernehmlassung ist gefordert worden, den Grundsatz der alternierenden Obhut im Gesetz zu verankern. Eine alternierende Obhut liegt vor, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und die Kinderbetreuung zu mehr oder weniger gleichen Teilen übernehmen, wobei die Betreuungszeiten in Tagen, Wochen oder Monaten bestimmt werden können. Gemäss einigen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern wäre diese Lösung nicht nur die logische Folge der gemeinsamen elterlichen Sorge, sondern auch die einzige Lösung, die mit Artikel 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der das Recht auf Achtung des Familienlebens gewährleistet, vereinbar ist.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die elterliche Sorge – als Pflicht-Recht der Eltern, wichtige Entscheide betreffend die Person und das Vermögen des Kindes zu treffen – und die Obhut – also die Zeit, während der das Kind mit einem Elternteil zusammenlebt – zwei unterschiedliche Begriffe sind. Die gemeinsame elterliche Sorge zieht nicht unbedingt eine alternierende Obhut nach sich. Im Rahmen seiner Untersuchung des Jahres 2007 über die gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung hat Linus Cantieni festgestellt, dass die Betreuung der Kinder in den meisten Fällen weiterhin «klassisch» organisiert wird, d.h. vor allem von einem Elternteil, meistens der Mutter, wahrgenommen wird. Dies selbst dann, wenn die Eltern sich darauf verständigt haben, die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam auszuüben. Das kann mehrere Gründe haben, beispielsweise folgende: Die Eltern wollen die vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts befolgte «klassische» Rollenteilung nicht ändern, die alternierende Obhut ist wegen der geografischen Distanz zwischen den beiden Wohnorten der Eltern nicht realisierbar, oder die Eltern können Berufstätigkeit und Kinderbetreuung nicht miteinander vereinbaren. Weiter kann eine alternierende Obhut zwar von den Eltern oder vom Kind gewünscht werden, ist aber nicht mit dessen Wohl vereinbar, beispielsweise weil es keine Beziehung zu einem der Elternteile hat, weil es krank ist oder weil die alternierende Obhut wegen der sehr konfliktreichen Beziehung zwischen den nicht kooperationsfähigen Eltern psychisch belastend wäre. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Obhut und Artikel 8 EMRK ist anzumerken, dass «Familienleben» nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht gleichbedeutend mit «Zusammenleben» ist. Für das Gleichgewicht des Kindes zählt vielmehr, dass es mit beiden Eltern eine Beziehung aufrechterhalten kann. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter dem Hinweis, dass jeder Fall im Hinblick auf das Kindeswohl geprüft werden muss, keine konkreten Kriterien dafür festgelegt, wie die Beziehung des Kindes zu den Eltern aufrechterhalten werden kann.

Aus den genannten Gründen erachtet es der Bundesrat nicht als angezeigt, alle getrennt lebenden Eltern zu einer alternierenden Obhut zu verpflichten. Eine derart starre Regelung wäre überdies mit der liberalen Grundhaltung des schweizerischen Familienrechts nicht vereinbar. Dieses bevorzugt kein spezifisches Rollenmodell, sondern überlässt es den Eltern, die Aufgaben nach ihrem Gutdünken unter sich aufzuteilen. Die Rechtsordnung muss wertungsfrei für jedes von den Eltern gewählte Modell eine angemessene Lösung bieten.

Dieser Entscheid darf aber nicht so ausgelegt werden, dass der Bundesrat die alternierende Obhut ausschliessen will. Die vom Parlament am 21. Juni 2013 verabschiedeten Bestimmungen über die elterliche Sorge basieren auf dem Grundsatz, wonach die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht, und zwar auch dann, wenn die Eltern den gemeinsamen Haushalt aufheben. Das Ende der ehelichen Beziehung bedeutet nicht auch das Ende der elterlichen Beziehung zum Kind. Bei Inkrafttreten des neuen Rechts wird die gemeinsame elterliche Sorge also zur Regel, auch ohne dass sich die Eltern darüber einig sein müssen. Die elterliche Sorge kann zwar immer noch einem Elternteil allein übertragen werden, aber nur, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist (Art. 298 Abs. 1 nZGB). Diese Änderung wird sich auch auf die Praxis im Bereich der alternierenden Obhut auswirken. Die Einführung der alternierenden Obhut kann nur im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge erfolgen. Anders als in der Vergangenheit wird das Einverständnis der Eltern aber für diese nicht mehr zwingend vorausgesetzt. Da die elterliche Sorge künftig im Regelfall gemeinsam ausgeübt werden wird, werden die Gerichte ebenfalls prüfen können, ob eine alternierende Obhut auch dann organisiert werden kann, wenn nur ein Elternteil sie beantragt. Dies insbesondere in den Fällen, in denen Vater und Mutter bereits während des Zusammenlebens beide an Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt waren oder während des Getrenntlebens vor der Scheidung das Kind bereits alternierend betreut haben. Selbstverständlich wird die Frage der Obhut unabhängig von den Wünschen der Eltern und vom Vorliegen einer Vereinbarung zwischen ihnen jeweils im Einzelfall, immer zum Wohl des Kindes, geklärt werden müssen. Die entsprechenden von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien verlieren ihre Bedeutung nicht.

Das Bundesgericht äusserte sich in zwei Urteilen vom 29. September 2016 (5A_991/2015 = BGE 142 III 612, 5A_904/201 = BGE 142 III 617) in grundsätzlicher Weise zur alternierenden Obhut.

Regeste BGE 142 III 612:

Art. 176 Abs. 3 ZGB; Streit um die alleinige oder alternierende Obhut im Eheschutzprozess.
Zum Obhutsbegriff im revidierten Sorgerecht (E. 4.1). Ob die alternierende Obhut voraussichtlich dem Wohl des Kindes entspricht, hat der Richter im konkreten Einzelfall gestützt auf eine sachverhaltsbasierte Prognose zu prüfen (E. 4.2). Zu den verschiedenen Kriterien, auf die es bei dieser Beurteilung ankommt (E. 4.3). Fällt eine alternierende Obhut ausser Betracht, ist zusätzlich die Fähigkeit eines jeden Elternteils zu würdigen, den Kontakt zwischen dem Kind und dem andern Elternteil zu fördern (E. 4.4). Zur Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 4.5).

Regeste BGE 142 III 617:

Art. 176 Abs. 3 ZGB; Streit um die alleinige oder alternierende Obhut im Eheschutzprozess.
Zum Obhutsbegriff im revidierten Sorgerecht (E. 3.2.2). Ob eine alternierende Obhut möglich und mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist, hat der Richter anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen (E. 3.2.3). Zu den verschiedenen Kriterien, auf die es bei dieser Beurteilung ankommt (E. 3.2.3). Fällt eine alternierende Obhut ausser Betracht oder wird sie verworfen, ist zusätzlich die Fähigkeit eines jeden Elternteils zu würdigen, den Kontakt zwischen dem Kind und dem andern Elternteil zu fördern (E. 3.2.4). Zur Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3.2.5).

Im BGE 142 III 612 finden sich folgende Erwägungen:

4. Der Streit dreht sich zunächst um die Frage, ob den Parteien die Obhut über C. alternierend zu überlassen ist. Zur alternierenden Obhut ist grundlegend festzuhalten, was folgt:

4.1. Haben die Eltern, die zur Regelung des Getrenntlebens das Gericht anrufen, minderjährige Kinder, so trifft das Gericht gemäss Art. 176 Abs. 3 ZGB nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen. Zu regeln ist namentlich die Obhut über das Kind, der persönliche Verkehr mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil, die Beteiligung jedes Elternteils an der Betreuung und der Unterhaltsbeitrag. Was die Obhut angeht, ist vorweg in Erinnerung zu rufen, dass am 1. Juli 2014 die revidierten Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die elterliche Sorge in Kraft getreten sind (AS 2014 357). Neu ist die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern der Regelfall (Art. 296 Abs. 2 ZGB). Die alleinige elterliche Sorge bleibt zum Wohl des Kindes und ohne konkrete Gefährdung des Kindeswohls möglich. Sie soll aber die eng begrenzte Ausnahme sein (BGE 142 III 1 E. 3.3 S. 5 f. mit Hinweis). Von der elterlichen Sorge ist die Obhut zu unterscheiden. Unter der Herrschaft des alten Rechts war das „Obhutsrecht“ Bestandteil des elterlichen Sorgerechts. „Obhut“ im Rechtssinne bedeutete das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes und die Modalitäten seiner Betreuung zu bestimmen (BGE 128 III 9 E. 4a S. 9 f.). Im neuen Recht umfasst die elterliche Sorge auch das „Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen“ (s. Art. 301a Abs. 1 ZGB). Die Bedeutung der „Obhut“ reduziert sich – losgelöst vom Sorgerecht – auf die „faktische Obhut“, das heisst auf die Befugnis zur täglichen Betreuung des Kindes und auf die Ausübung der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit seiner Pflege und laufenden Erziehung (MEIER/STETTLER, Droit de la filiation, 5. Aufl. 2014, Rz. 462 S. 308 und Rz. 466 S. 311; SCHWENZER/COTTIER, Basler Kommentar, 5. Aufl. 2014, N 4 zu Art. 298 ZGB; DE WECK-IMMELÉ, in: Droit matrimonial, Commentaire pratique, 2016, N 195 zu Art. 176 ZGB).

4.2. Auch wenn die gemeinsame elterliche Sorge nunmehr die Regel ist (Art. 296 Abs. 2 ZGB) und grundsätzlich das Recht einschliesst, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen (Art. 301a Abs. 1 ZGB; BGE 142 III 56 E. 3 S. 62 f.; 142 III 1 E. 3.3 S. 5 mit Hinweis), geht damit nicht notwendigerweise die Errichtung einer alternierenden Obhut einher (Urteile 5A_266/2015 vom 24. Juni 2015 E. 4.2.2.1; 5A_46/2015 vom 26. Mai 2015 E. 4.4.3). Unabhängig davon, ob sich die Eltern auf eine alternierende Obhut geeinigt haben, muss der mit dieser Frage befasste Richter prüfen, ob dieses Betreuungsmodell möglich und mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist (vgl. Urteil 5A_527/2015 vom 6. Oktober 2015 E. 4). Denn nach der Rechtsprechung gilt das Kindeswohl als oberste Maxime des Kindesrechts (BGE 141 III 328 E. 5.4 S. 340); es ist für die Regelung des Eltern-Kind-Verhältnisses demnach immer der entscheidende Faktor, während die Interessen und Wünsche der Eltern in den Hintergrund zu treten haben (BGE 131 III 209 E. 5 S. 212). Wohl finden sich in der Kinderpsychologie verschiedene Meinungen zum Thema, die sich mehr oder weniger absolut für oder gegen dieses Betreuungsmodell aussprechen. Allein aus kinderpsychologischen Studien lassen sich für die Beurteilung im konkreten Fall indessen kaum zuverlässige Schlüsse ziehen. Denn naturgemäss integrieren die verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht alle Parameter, die im Einzelfall eine Rolle spielen (s. dazu JOSEPH SALZGEBER, Die Diskussion um die Einführung des Wechselmodells als Regelfall der Kindesbetreuung getrennt lebender Eltern aus Sicht der Psychologie, in FamRZ 2015, Heft 23, S. 2018 ff.). Ob die alternierende Obhut überhaupt in Frage kommt und ob sie sich mit dem Kindeswohl verträgt, hängt demnach von den konkreten Umständen ab. Das bedeutet, dass der Richter gestützt auf festgestellte Tatsachen der Gegenwart und der Vergangenheit eine sachverhaltsbasierte Prognose darüber zu stellen hat, ob die alternierende Obhut als Betreuungslösung aller Voraussicht nach dem Wohl des Kindes entspricht.

4.3. Unter den Kriterien, auf die es bei dieser Beurteilung ankommt, ist zunächst die Erziehungsfähigkeit der Eltern hervorzuheben, und zwar in dem Sinne, dass die alternierende Obhut grundsätzlich nur dann in Frage kommt, wenn beide Eltern erziehungsfähig sind. Weiter erfordert die alternierende Obhut organisatorische Massnahmen und gegenseitige Informationen. Insofern setzt die praktische Umsetzung einer alternierenden Betreuung voraus, dass die Eltern fähig und bereit sind, in den Kinderbelangen miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Allein aus dem Umstand, dass ein Elternteil sich einer alternierenden Betreuungsregelung widersetzt, kann indessen nicht ohne Weiteres auf eine fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern geschlossen werden, die einer alternierenden Obhut im Wege steht. Ein derartiger Schluss könnte nur dort in Betracht fallen, wo die Eltern aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Feindseligkeiten auch hinsichtlich anderer Kinderbelange nicht zusammenarbeiten können, mit der Folge, dass sie ihr Kind im Szenario einer alternierenden Obhut dem gravierenden Elternkonflikt in einer Weise aussetzen würden, die seinen Interessen offensichtlich zuwider läuft. Zu berücksichtigen ist ferner die geographische Situation, namentlich die Distanz zwischen den Wohnungen der beiden Eltern, und die Stabilität, welche die Weiterführung der bisherigen Regelung für das Kind gegebenenfalls mit sich bringt. In diesem Sinne fällt die alternierende Obhut eher in Betracht, wenn die Eltern das Kind schon vor ihrer Trennung abwechselnd betreuten. Weitere Gesichtspunkte sind die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, das Alter des Kindes, seine Beziehungen zu (Halb- oder Stief-) Geschwistern und seine Einbettung in ein weiteres soziales Umfeld (vgl. Urteile 5A_46/2015 vom 26. Mai 2015 E. 4.4.2 und 4.4.5; 5A_345/2014 vom 4. August 2014 E. 4.2). Auch dem Wunsch des Kindes ist Beachtung zu schenken, selbst wenn es bezüglich der Frage der Betreuungsregelung (noch) nicht urteilsfähig ist. Der Richter, der den Sachverhalt von Amtes wegen erforscht (Art. 296 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 446 ZGB), wird im konkreten Fall entscheiden müssen, ob und gegebenenfalls in welcher Hinsicht Hilfe von Sachverständigen erforderlich ist, um die Aussagen des Kindes zu interpretieren, insbesondere um erkennen zu können, ob diese seinem wirklichen Wunsch entsprechen. Während die alternierende Obhut in jedem Fall die Erziehungsfähigkeit beider Eltern voraussetzt, sind die weiteren Beurteilungskriterien oft voneinander abhängig und je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Bedeutung. So spielen das Kriterium der Stabilität und dasjenige der Möglichkeit zur persönlichen Betreuung des Kindes bei Säuglingen und Kleinkindern eine wichtige Rolle. Geht es hingegen um Jugendliche, kommt der Zugehörigkeit zu einem sozialen Umfeld grosse Bedeutung zu. Die Kooperationsfähigkeit der Eltern wiederum verdient besondere Beachtung, wenn das Kind schulpflichtig ist oder die geografische Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern ein Mehr an Organisation erfordert.

4.4. Kommt der Richter zum Schluss, dass eine alternierende Obhut nicht im Kindeswohl ist, muss er entscheiden, welchem Elternteil er die Obhut über das Kind zuteilt. Dabei hat er im Wesentlichen die bereits erörterten Beurteilungskriterien zu berücksichtigen (s. E. 4.3). Zusätzlich hat er die Fähigkeit eines jeden Elternteils zu würdigen, den Kontakt zwischen dem Kind und dem andern Elternteil zu fördern.

4.5. Wie die vorigen Erwägungen zeigen, ist der Sachrichter, der die Parteien und die weitere Umgebung des Kindes am besten kennt, beim Entscheid über die Anordnung einer alternierenden Obhut in vielfacher Hinsicht auf sein Ermessen verwiesen (BGE 115 II 317 E. 2 und 3 S. 319; Urteile 5A_848/2014 vom 4. Mai 2015 E. 2.1.2; 5A_976/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.4; 5A_266/2015 vom 24. Juni 2015 E. 4.2.2.2). Bei der Überprüfung dieses Ermessensentscheids auferlegt sich das Bundesgericht Zurückhaltung. Es schreitet nur ein, wenn die kantonale Instanz von ihrem Ermessen offensichtlich falschen Gebrauch gemacht hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, wenn sie umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat oder wenn sich der Ermessensentscheid im Ergebnis als offensichtlich unbillig oder ungerecht erweist (BGE 136 III 278 E. 2.2.1 S. 279; 135 III 121 E. 2; 133 III 201 E. 5.4 S. 211). Was das vorliegende Verfahren angeht, ist überdies zu beachten, dass der Beschwerdeführer nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen kann (E. 2).

Der Entscheid über die alternierende Obhut ist immer ein Einzelfallentscheid. Es müssen die Umstände des konkreten Falles gewürdigt werden. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Erziehungsfähigkeit der Eltern, die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern, die konkrete Organisation der alternierenden Obhut, die geografische Situation, die persönliche Betreuung, die bisherige Betreuungssituation und die Meinung des Kindes.

Die Förderung der alternierenden Obhut ist zwar löblich, dürfte aber gerade bei Vätern häufig falsche Erwartungen wecken. Entscheidend sind vor allem die gelebten Verhältnisse vor der Trennung. Wenn ein Ehepaar sich die Betreuung geteilt hat, wird diese in der Regel auch nach der Trennung weitergeführt. Wenn ein Ehepaar ein traditionelles Ehemodell gelebt hat, das heisst, dass der Ehemann einer 100-prozentigen Erwerbstätigkeit nachgeht und die Ehefrau im Wesentlichen für die Kinder und den Haushalt zuständig ist, kann der Mann nach der Trennung kaum eine alternierende Obhut erwarten. Diese dürfte häufig schon aus praktischen Gründen scheitern, da der Ehemann nicht plötzlich sein Arbeitspensum massiv reduzieren kann. Zudem fragt sich, ob in solch einem Rollenmodell der Ehefrau plötzlich eine grössere Erwerbstätigkeit zumutbar ist, soweit diese überhaupt möglich ist.

Update 23.6.2017

In einem Urteil vom 2. November 2016 (5A_72/2016) fasste das Bundesgericht nochmals seine Rechtsprechung zusammen:

3.3. Das Bundesgericht hat sich kürzlich in grundsätzlicher Weise zu den Kriterien geäussert, nach welchen im Einzelfall zu beurteilen ist, ob die alternierende Obhut voraussichtlich dem Kindeswohl entspricht (zur amtlichen Publikation vorgesehene Urteile 5A_904/2015 und 5A_991/2015 vom 29. September 2016, je mit weiterführenden Hinweisen).

3.3.1. Der zivilstandsunabhängige Regelfall der gemeinsamen elterlichen Sorge (Art. 296 Abs. 2 ZGB) führt auch im Rahmen des Getrenntlebens dazu, dass die Eltern den Aufenthaltsort des Kindes gemeinsam bestimmen (vgl. Art. 301a Abs. 1 ZGB). Die Bedeutung von „Obhut“ beschränkt sich damit auf die „faktische Obhut“, das heisst auf die Befugnis zur täglichen Betreuung des Kindes und auf die Ausübung der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit seiner laufenden Pflege und Erziehung (Urteile 5A_904/2015 E. 3.2.2 und 5A_991/2015 E. 4.1). Die gemeinsame elterliche Sorge resp. die darin enthaltene Befugnis, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, ist nicht notwendigerweise mit einer alternierenden Obhut verbunden. Ob dieses Betreuungsmodell möglich und mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist, muss eheschutzrichterlich überprüft werden. Beim Kindeswohl handelt es sich um die oberste Maxime des Kindesrechts, gegenüber welcher die Interessen und Wünsche der Eltern in den Hintergrund treten. Eine tatsächliche Vermutung für oder wider die alternierende Obhut existiert nicht. Das Gericht muss gestützt auf die Feststellung der konkreten gegenwärtigen und vergangenen Tatsachen eine Prognose darüber treffen, ob diese Betreuungslösung aller Voraussicht nach dem Wohl des Kindes entspricht (vgl. Urteile 5A_904/2015 E. 3.2.3 erster Abs. und 5A_991/2015 E. 4.2).

3.3.2. Die alternierende Obhut kommt grundsätzlich nur in Frage, wenn beide Eltern erziehungsfähig sind. Weiter ist dieses Betreuungsmodell nur praktisch umsetzbar, wenn die Eltern fähig und bereit sind, in Kinderbelangen laufend miteinander zu kommunizieren und im Hinblick auf die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zu kooperieren. Allein aus dem Umstand, dass ein Elternteil sich einer Regelung mit geteilter Betreuung widersetzt, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, die nötige Kooperation sei nicht gewährleistet. Unter diesem Aspekt ist von einer alternierenden Obhut nur abzusehen, wenn das Verhältnis unter den Eltern hinsichtlich anderer Kinderbelange von einer Feindseligkeit gezeichnet ist, die annehmen lässt, eine alternierende Obhut würde das Kind dem gravierenden Elternkonflikt in einer Weise aussetzen, die seinen Interessen offensichtlich zuwider läuft. Weiter kommt es auf die geographische Situation an, namentlich die Distanz zwischen den Wohnungen der beiden Eltern. Bedeutsam ist auch die Kindeswohlwirksamkeit der Stabilität, wie sie mit einer Weiterführung der bisherigen Regelung einhergeht. In diesem Sinne ist eine alternierende Obhut umso eher angezeigt, wenn die Eltern das Kind schon vor ihrer Trennung abwechselnd betreut haben. Andere Kriterien sind die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, das Alter des Kindes, seine Beziehungen zu (tatsächlichen oder faktischen) Geschwistern und seine Einbettung in das weitere soziale Umfeld. Beachtung verdient auch der Wunsch des Kindes, selbst wenn es bezüglich der Betreuungsregelung (noch) nicht urteilsfähig ist. Gegebenenfalls erfordert der Untersuchungsgrundsatz (Art. 296 Abs. 1 ZPO), die Aussagen des Kindes mit Hilfe eines Gutachtens oder sonstiger sachverständiger Einschätzung zu interpretieren.

Die Erziehungsfähigkeit beider Eltern ist in jedem Fall notwendige Voraussetzung einer alternierenden Obhut. Die weiteren Beurteilungskriterien hängen oft voneinander ab; ihre jeweilige Bedeutsamkeit richtet sich nach den konkreten Umständen. So spielen das Kriterium der Stabilität und dasjenige der Möglichkeit zur persönlichen Betreuung des Kindes bei Säuglingen und Kleinkindern eine wichtige Rolle. Geht es hingegen um Jugendliche, kommt der Zugehörigkeit zu einem sozialen Umfeld grosse Bedeutung zu. Die Kooperationsfähigkeit der Eltern wiederum verdient besondere Beachtung, wenn das Kind schulpflichtig ist oder die Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern ein Mehr an Organisation erfordert (Urteile 5A_904/2015 E. 3.2.3 zweiter und dritter Abs. und 5A_991/2015 E. 4.3).