Verteidigung

1. Recht auf Verteidigung und Anwalt der ersten Stunde

Jede beschuldigte Person hat das Recht, sich verteidigen zu lassen (Art. 6 Abs. 3 Bst. c EMRK, Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 127 Abs. 1 StPO). Polizei und Staatsanwaltschaft müssen die beschuldigte Person darauf hinweisen, dass sie das Recht hat, eine Wahlverteidigung zu bestellen bzw. eine amtliche Verteidigung zu beantragen (Art. 158 Abs. 1 Bst. c StPO).

Das Recht auf Verteidigung besteht ab sofort (Anwalt der ersten Stunde) (Art. 129 Abs. 1 und Art. 147 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 159 StPO). Um Zugang zu einer Verteidigung erhalten zu können, kann die beschuldigte Person namentlich unter der Telefonnummer 044 201 00 10 das Pikett Strafverteidigung kontaktieren.

2. Wahlverteidigung und amtliche Verteidigung

Primär obliegt es der beschuldigten Person, für eine Verteidigung besorgt zu sein.

Art. 129 StPO
Wahlverteidigung
1 Die beschuldigte Person ist berechtigt, in jedem Strafverfahren und auf jeder Verfahrensstufe einen Rechtsbeistand im Sinne von Artikel 127 Absatz 5 mit ihrer Verteidigung zu betrauen (Wahlverteidigung) oder, unter Vorbehalt von Artikel 130, sich selber zu verteidigen.
2 Die Ausübung der Wahlverteidigung setzt eine schriftliche Vollmacht oder eine protokollierte Erklärung der beschuldigten Person voraus.

Es gibt jedoch Fälle, in denen die Verfahrensleitung eine Verteidigung anordnen muss.

Art. 132 StPO
Amtliche Verteidigung
1 Die Verfahrensleitung ordnet eine amtliche Verteidigung an, wenn:
a. bei notwendiger Verteidigung:
1. die beschuldigte Person trotz Aufforderung der Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung bestimmt,
2. der Wahlverteidigung das Mandat entzogen wurde oder sie es niedergelegt hat und die beschuldigte Person nicht innert Frist eine neue Wahlverteidigung bestimmt;
b. die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist.
2 Zur Wahrung der Interessen der beschuldigten Person ist die Verteidigung namentlich geboten, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre.
3 Ein Bagatellfall liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als 4 Monaten, eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit von mehr als 480 Stunden zu erwarten ist.

3. Amtliche Verteidigung (notwendige Verteidigung)

Es gibt Fälle, in denen eine Verteidigung zwingend vorgesehen ist. Man spricht von notwendiger Verteidigung. Die beschuldigte Person darf sich nicht selbst (ohne Verteidigung) verteidigen.

Art. 130 StPO
Notwendige Verteidigung
Die beschuldigte Person muss verteidigt werden, wenn:
a. die Untersuchungshaft einschliesslich einer vorläufigen Festnahme mehr als 10 Tage gedauert hat;
b. ihr eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung droht;
c. sie wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustandes oder aus anderen Gründen ihre Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann und die gesetzliche Vertretung dazu nicht in der Lage ist;
d. die Staatsanwaltschaft vor dem erstinstanzlichen Gericht oder dem Berufungsgericht persönlich auftritt;
e. ein abgekürztes Verfahren (Art. 358-362) durchgeführt wird.

Wenn die beschuldigte Person trotz Aufforderung durch die Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung (Art. 129 Abs. 1 StPO) bestimmt, wird ihr von der Verfahrensleitung eine amtliche Verteidigung bestellt (Art. 132 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 StPO). Das Gleiche gilt bei Entzug oder Niederlegung des Mandats der Wahlverteidigung (Art. 132 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 StPO). Die beschuldigte Person kann in Bezug auf die Person der Verteidigung Wünsche anbringen, mithin hat sie ein Vorschlagsrecht (Art. 133 Abs. 2 StPO).

4. Amtliche Verteidigung (unentgeltlicher Rechtsbeistand)

4.1. Im Allgemeinen

Wenn die beschuldigte Person nicht über die notwendigen Mittel verfügt und eine Verteidigung für die Wahrung ihrer Interessen notwendig ist, besteht ein verfassungsmässiger Anspruch auf Bestellung einer amtlichen Verteidigung (Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 132 Abs. 1 Bst. b StPO).

Gemäss Art. 6 Abs. 3 Bst. c EMRK hat eine beschuldigte Person das Recht, falls ihr die Mittel zur Bezahlung einer Verteidigung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Diese Bestimmung bittet allerdings keinen umfassenderen Rechtsschutz als das nationale Recht.

Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt, wo das Gesuch für eine amtliche Verteidigung gestellt worden ist.

Das Bundesgericht hielt im Urteil vom 1. Juli 2016 (1B_167/2016) Folgendes fest:

3.6. Für die Beurteilung des Anspruchs auf amtliche Verteidigung ist der Zeitpunkt des ersten Gesuchs des Beschwerdeführers massgebend (vgl. für die analoge Situation beim Beizug des sogenannten Anwalts der ersten Stunde: Urteil 1B_66/2015 vom 12. August 2015 E. 2.3, in: Pra 2015 Nr. 107 S. 872). Zumindest zu jenem Zeitpunkt konnte angesichts der Gesamtheit der Tatvorwürfe nicht von einem Bagatellfall ausgegangen werden. (…)

4.2. Bedürftigkeit

Ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsbeistand besteht nur, wenn die beschuldigte Person nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt. Zunächst darf das Einkommen nicht wesentlich höher als der Bedarf sein. Zudem darf die beschuldigte Person über kein massgebliches Vermögen verfügen. Die beschuldigte Person muss seine finanziellen Verhältnisse gegenüber der Verfahrensleitung offen legen und mit Dokumenten belegen.

Im Urteil des Bundesgerichts vom 1. Juli 2016 (1B_167/2016) findet sich folgende Erwägung:

2.3. Es obliegt grundsätzlich dem Gesuchsteller, seine finanziellen Verhältnisse umfassend offenzulegen. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, ist das Gesuch abzuweisen. Erfüllt er seine Obliegenheiten, ohne dass es ihm in der ersten Eingabe gelingt, seine Bedürftigkeit zur Zufriedenheit des Gerichts nachzuweisen, so hat ihn dieses zur Klärung aufzufordern (Urteil 1B_389/2015 vom 7. Januar 2016 E. 5.4 mit Hinweisen, in: Pra 2016 Nr. 35 S. 318).

4.3. Notwendigkeit

Nicht jeder bedürftigen beschuldigten Person wird eine amtliche Verteidigung bestellt. Vielmehr ist zudem erforderlich, dass die Verteidigung notwendig ist. Das ist der Fall, wenn der Straffall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen sie beschuldigte Person allein nicht gewachsen ist, und es sich um keinen Bagatellfall handelt (Art. 132 Abs. 2 und 3 StPO).

Das Bundesgericht führte im BGE vom 1. Juli 2016 (1B_167/2016) Folgendes aus:

3.4. Mit der Regelung der amtlichen Verteidigung in Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO wird die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK für den Bereich des Strafprozessrechts umgesetzt (BGE 139 IV 113 E. 4.3 S. 119). Diese Rechtsprechung unterscheidet nach der Schwere der Strafdrohung drei Fallgruppen. Falls das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition des Betroffenen eingreift, ist die Bestellung eines amtlichen Rechtsbeistands grundsätzlich geboten. Falls kein besonders schwerer Eingriff in die Rechte des Gesuchstellers droht (sog. relativ schwerer Fall), müssen besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller, auf sich allein gestellt, nicht gewachsen wäre. Das Bundesgericht hat einen relativ schweren Fall etwa bei einer Strafdrohung von drei Monaten Gefängnis unbedingt (BGE 115 Ia 103 E. 4 S. 105 f.), bei einer „empfindlichen Strafe von jedenfalls mehreren Monaten Gefängnis“ (BGE 120 Ia 43 E. 3c S. 47) oder bei der Einsprache gegen einen Strafbefehl von 40 Tagen Gefängnis bedingt (Urteil 1P.627/2002 vom 4. März 2003 E. 3.2, in: Pra 2004 Nr. 1 S. 1) angenommen. Bei offensichtlichen Bagatelldelikten, bei denen nur eine Busse oder eine geringfügige Freiheitsstrafe in Frage kommt, verneint die Bundesgerichtspraxis einen verfassungsmässigen Anspruch auf einen amtlichen Rechtsbeistand (zum Ganzen: BGE 120 Ia 43 E. 2a S. 44 f.; 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232 f.; Urteil 1B_23/2016 vom 8. Februar 2016 E. 2.4; je mit Hinweisen).

3.5. Daraus, aber auch aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 3 StPO („jedenfalls dann nicht“) folgt, dass nicht automatisch von einem Bagatellfall auszugehen ist, wenn die im Gesetz genannten Schwellenwerte nicht erreicht sind (Urteil 1B_263/2013 vom 20. November 2013 E. 4.3 mit Hinweis). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Formulierung von Abs. 2 durch die Verwendung des Worts „namentlich“ zum Ausdruck bringt, dass nicht ausgeschlossen ist, neben den beiden genannten Kriterien (kein Bagatellfall; tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre) weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. im Einzelnen Urteil 1B_746/2012 vom 5. März 2013 E. 2.5 mit Hinweis). Mithin ist eine Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls notwendig, die sich einer strengen Schematisierung entzieht. Immerhin lässt sich festhalten, dass je schwerwiegender der Eingriff in die Interessen der betroffenen Person ist, desto geringer die Anforderungen an die erwähnten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, und umgekehrt (Urteil 1B_380/2015 vom 1. Dezember 2015 E. 2.5 mit Hinweis).

Es gibt somit drei Fallgruppen:

1. Wenn kein Bagatellfall vorliegt und durch das Strafverfahren besonders stark in die Rechtposition der beschuldigten Person eingegriffen wird, ist eine amtliche Verteidigung grundsätzlich geboten.

2. Wenn kein Bagatellfall vorliegt und kein besonders schwerer Eingriff in die Rechtsposition der beschuldigten Person vorliegt, müssen besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen ist.

3. Bei offensichtlichen Begatellfällen besteht kein Anspruch auf amtliche Verteidigung.

Das Bundesgericht (BGE vom 1.9.2016, 1B_219/2016) führte in einem Fall betreffend Ehrverletzungsdelikte in Bezug auf die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten Folgendes aus:

2.4. Unbestritten und durch eine „Bestätigung Schuldensanierung“ der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug vom 9. Februar 2016 belegt ist, dass der Beschwerdeführer nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um einen privaten Verteidiger beiziehen zu können. Es ist damit zu prüfen, ob der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Probleme aufwirft, denen der Beschuldigte allein nicht gewachsen ist (Art. 132 Abs. 2 StPO).

In tatsächlicher Hinsicht geht es um die Auswertung von drei unter www. … .ch erschienenen Blogs. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer als erfahrener Blogger nicht in der Lage sein sollte, seine Interessen bei der Ermittlung dieses einfachen Sachverhalts zu wahren und beispielsweise seine Urheberschaft an den beanstandeten Blogs kompetent zu bestreiten.

Die rechtlichen Probleme, welche die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Ehrverletzungsdelikte – üble Nachrede und Beschimpfung – aufwerfen, sind überschaubar und auch für einen Laien verständlich. Das gilt auch für den die berufliche Ehre betreffenden Verstoss gegen das UWG; gegen den Vorwurf, Rechtsanwalt B. durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabgesetzt zu haben (Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG), kann sich, jedenfalls wenn es wie hier um einen einfachen Sachverhalt geht, auch ein juristischer Laie angemessen zur Wehr setzen. Der Beschwerdeführer ist in juristischen Verfahren zudem keineswegs unbeholfen; wie seine Beschwerde ans Bundesgericht zeigt, ist er durchaus in der Lage, seine Interessen sachgerecht zu vertreten. (…)

Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass im Zivilprozess die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes bejaht wird, wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist (Art. 118 Abs. 1 Bst. c ZPO). Damit soll die Waffengleichheit garantiert werden. Dieser Gedanke sollte auch mehr im Strafverfahren Beachtung geschenkt werden. Die beschuldigte Person ist einer rechtlich potenten Staatsanwaltschaft ausgeliefert, weshalb sich regelmässig eine Verteidigung rechtfertigt. Zudem ist die Privatklägerschaft häufig selbst rechtlich vertreten.

Das Bundesgericht führte zu diesem Thema im gleichen Urteil vom 1. September 2016 (1B_219/2016) Folgendes aus:

2.4. (…) Zutreffend ist zwar, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit rechtfertigen kann, einem Beschuldigten einen amtlichen Verteidiger beizugeben, wenn die Gegenpartei – was vorliegend zutrifft – anwaltlich vertreten ist. Dieser Anspruch gilt aber nicht absolut, und der Verweis auf das Urteil 1P.40/2000 vom 3. April 2000 ist insofern nicht einschlägig, als sich dieses auf ein altrechtliches Privatstrafverfahren bezieht, welches für die Parteien deutlich schwieriger zu führen war als ein aktuelles Strafverfahren nach StPO, bei welchem die Verfahrensleitung bei der Staatsanwaltschaft liegt, welche den Sachverhalt von Amtes wegen zu klären hat und verpflichtet ist, belastende und entlastende Umstände gleichermassen zu untersuchen (Art. 6 StPO). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich der Strafantragsteller im vorliegenden, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfenden Fall durch den Beizug eines privaten Anwalts einen erheblichen Vorteil verschafft hat, der erheischen würde, dem Beschuldigten zur Wahrung der Waffengleichheit einen amtlichen Verteidiger zu bestellen.

5. Widerruf und Wechsel der amtlichen Verteidigung

Art. 134 StPO
Widerruf und Wechsel der amtlichen Verteidigung
1 Fällt der Grund für die amtliche Verteidigung dahin, so widerruft die Verfahrensleitung das Mandat.
2 Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus andern Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person.

Fällt ein Grund für die amtliche Verteidigung weg, so widerruft die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung (Art. 134 Abs. 1 StPO).

Die Notwendigkeit einer amtlichen Verteidigung entfällt, wenn sich die beschuldigte Person fortan erbeten verteidigen lässt (vgl. Art. 132 Abs. 1 Bst. a StPO). In der Entlassungsverfügung wird dann jedoch festgehalten, dass die erbetene Verteidigung nicht mehr in eine amtliche Verteidigung umgewandelt werden kann.

Ein Wechsel der amtlichen Verteidigung ist nur möglich, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und der amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet ist (Art. 134 Abs. 2 StPO). Die beschuldigte Person muss somit qualifizierte Gründe vorbringen und es liegt nicht in ihrem Belieben, nach eigenem Gutdünken die amtliche Verteidigung zu wechseln.

Das Obergericht führte in einem Beschluss vom 28. April 2016 (UP150053) Folgendes aus:

IV. 1. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person (Art. 134 Abs. 2 StPO).

Art. 134 Abs. 2 StPO lässt somit bereits ein erheblich gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer Verteidigung genügen, womit die subjektive Sichtweise der beschuldigten Person in den Vordergrund gestellt und – im Gegensatz zur früheren Praxis des Bundesgerichts – nicht mehr nur auf objektivierbare schwerwiegende Berufspflichtverletzungen durch die Verteidigung abgestellt wird. Das bedeutet aber nicht, dass allein das subjektive Empfinden der beschuldigten Person für einen Wechsel der Verteidigung ausreicht, sondern dieses muss anhand konkreter Hinweise soweit objektiviert werden, als das gestörte Vertrauensverhältnis nachvollziehbar wird. Von einem gestörten Vertrauensverhältnis ist auszugehen, wenn auch eine privat verteidigte Person einen Wechsel des Verteidigers vornehmen würde. Verlangt die beschuldigte Person einen Verteidigerwechsel, so hat sie die Gründe dafür glaubhaft zu machen (Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 134 N 19; BSK StPO-Ruckstuhl, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 134 N 8 f., je m.w.H.). Auch nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgt aus der Weigerung der beschuldigten Person, mit dem amtlichen Verteidiger zu kooperieren und diesem die grundsätzliche Wahl der Verteidigungsstrategie zu überlassen, noch kein Anspruch auf Verteidigerwechsel. Insbesondere bei umfangreichen oder komplexen Straffällen und nach längerer Ausübung des Mandats wird der Wechsel der amtlichen Verteidigung daher nur mit Zurückhaltung bewilligt (Lieber, a.a.O., Art. 134 N 19 a).

Von einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses ist bereits dann auszugehen, wenn eine gewissenhafte Erklärung der amtlichen Verteidigung vorliegt, sie könne eine wirksame Verteidigung nicht mehr gewährleisten. Aus welchen Gründen dies im Einzelnen der Fall ist, kann die Verteidigung mit Blick auf das Berufsgeheimnis ohne Einwilligung der beschuldigten Person zumeist nicht offenlegen, ausser es handle sich um sachliche Gründe, die nicht in der beschuldigten Person liegen (vgl. hierzu Lieber, a.a.O., Art. 134 N 20; BSK StPO-Ruckstuhl, a.a.O., Art. 134 N 9; Urteil des Bundesgerichts 1B_207/2014 vom 23. Juli 2014 E. 2.2).

2. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass aus einer Weigerungshaltung des Beschwerdeführers, mit der Verfahrensbeteiligten sachgerecht zu kooperieren, allein noch kein Anspruch auf Auswechslung der amtlichen Verteidigerin entsteht. Objektivierbare Hinweise, die das aus der subjektiven Sicht des Beschwerdeführers gestörte Vertrauensverhältnis zur Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar machen würden, wurden nicht glaubhaft gemacht. So reicht insbesondere das Vorbringen, die Verfahrensbeteiligte habe entgegen dem Wunsch des Beschwerdeführers auf die Stellung von Beweisanträgen verzichtet, nicht aus, um einen Anspruch auf Verteidigerwechsel zu begründen, obliegt doch die Verteidigungsstrategie grundsätzlich der Verteidigung. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer geltend machen lässt, die Verfahrensbeteiligte hätte die Frage der Stellung von Beweisergänzungsanträgen vor ihrem Verzicht auf solche nochmals mit ihm besprechen müssen, hat diese doch nachvollziehbar dargelegt, dass sie dies bereits zuvor mit dem Beschwerdeführer besprochen habe. Welche konkreten Beweisergänzungsanträge die Verfahrensbeteiligte hätte stellen sollen, wurde – mit Ausnahme der Einvernahme des Cousins von C. – nicht dargelegt. Dies ist jedoch aufgrund des soeben Dargelegten für das vorliegende Beschwerdeverfahren unerhebli ch. Sodann vermag der Beschwerdeführer auch mit der Behauptung, die Verfahrensbeteiligte habe ihm eine Freiheitsstrafe von höchstens 15 Monate in Aussicht gestellt, kein zerrüttetes Vertrauensverhältnis glaubhaft darzutun. Im Übrigen steht diese Behauptung im Widerspruch zu den Ausführungen im Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung vom 26. November 2016, liess der Beschwerdeführer darin doch vorbringen, die Höhe der gestellten Strafanträge sei nie auch nur ansatzweise ein Thema gewesen, und er habe entsprechend immer mit einer massiv tieferen Strafe gerechnet (Urk. 11/41 S. 1).

Im Weiteren lassen sich entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers der Eingabe der Verfahrensbeteiligten betreffend Antrag auf Verteidigerwechsel vom 7. Dezember 2015 keine Anhaltspunkte für ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Beschwerdeführer entnehmen. Die Verfahrensbeteiligte hat in dieser Eingabe vielmehr darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die Zusammenarbeit mit ihr verweigere und sie deshalb die bevorstehende Hauptverhandlung nicht mit ihm besprechen könne, sie jedoch in der Lage sei, die Hauptverhandlung und das Plädoyer ohne weitere Instruktionen vorzubereiten, da sie bereits während des laufenden Strafverfahrens die Instruktionen des Beschwerdeführers habe einholen können und er ihr gegenüber mehrfach zum psychiatrischen Gutachten und zu den von der Staatsanwaltschaft gestellten Anträgen Stellung genommen habe (Urk. 11/47 S. 1). Dass eine wirksame Verteidigung deshalb oder aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet wäre, ist nicht ersichtlich.

3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keine Gründe ersichtlich sind bzw. glaubhaft dargetan wurden, die auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Verfahrensbeteiligten schliessen lassen. Ausserdem hat die Verfahrensbeteiligte nachvollziehbar dargelegt, dass sie den Beschwerdeführer nach wie vor effektiv verteidigen könne, mithin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine wirksame Verteidigung aus andern Gründen nicht mehr gewährleistet wäre. Insgesamt bestehen daher keine Gründe, welche einen Wechsel des amtlichen Verteidigers gestützt auf Art. 134 Abs. 2 StPO rechtfertigen. Der Beschwerdeführer liess nichts vorbringen, das an dieser Beurteilung etwas zu ändern vermöchte. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

6. Kosten der amtlichen Verteidigung

Die amtliche Verteidigung wird aus der Gerichtskasse entschädigt (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die Entschädigung ist im Urteil festzulegen (Art. 135 Abs. 2 StPO; BGE 139 IV 199 E. 5)

Bei einem Freispruch gehen die Kosten der amtlichen Verteidigung zulasten der Gerichtskasse, ausser die beschuldigte Person hat die Einleitung des Strafverfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt oder dessen Durchführung erschwert (Art. 426 Abs. 2 StPO).

Bei einer Verurteilung trägt zwar die beschuldigte Person grundsätzlich die Verfahrenskosten (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO), die Kosten der amtlichen Verteidigung muss sie jedoch nur bezahlen, wenn es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 426 Abs. 1 Satz 2 i.V.m Art. 135 Abs. 3 Bst. a StPO). Der Anspruch des Staates auf die Vertretungskosten verjährt definitiv zehn Jahre nach Rechtskraft des Urteils (Art. 135 Abs. 5 StPO).

Ferner ist es möglich, dass das Gericht die Verfahrenskosten stundet, herabsetzt oder gänzlich erlässt (Art. 425 StPO). Im letzten Fall werden die Kosten abgeschrieben oder auf die Gerichtskasse genommen.

Das Obergericht ist eher zurückhaltend mit der Anwendung von Art. 425 StPO und hielt diesbezüglich in einem Urteil vom 14. Januar 2016 (SB150323) Folgendes fest:

8.2. Dem Antrag der Verteidigung, die dem Beschuldigten ausgangsgemäss aufzuerlegenden Kosten angesichts dessen wirtschaftlichen Situation definitiv abzuschreiben (…), kann nicht gefolgt werden. Zwar können gemäss Art. 425 StPO Forderungen aus Verfahrenskosten von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden. Keinesfalls verlangt aber Art. 425 StPO, dass schon im Urteil darüber befunden wird, ob der minderbemittelte Betroffene von der Kostentragungspflicht (allenfalls auch nur teilweise) zu befreien ist. Vielmehr ermöglicht es die genannte Bestimmung – bzw. legt es deren Wortlaut gar nahe – dass den Verhältnissen des Betroffenen erst im Zeitpunkt des Kostenbezugs Rechnung getragen werden kann. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass die definitive Abschreibung von Gerichtskosten eine weitreichende Wirkung aufweist und einem Erlass gleichkommt. Sie können daher selbst dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstige finanzielle Verhältnisse kommt. Diese Art der Abschreibung sollte daher nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen gewährt werden (vgl. zum alten Recht ZR 103 Nr. 46). Vorliegend ist kein solcher Ausnahmefall gegeben, wonach es sich rechtfertigen würde, den Beschuldigten gänzlich von der Kostentragung zu befreien. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Beschuldigte dereinst wieder in günstigere finanzielle Verhältnisse kommen kann, sei dies etwa durch eigenen Arbeitserwerb oder auch Vermögensanfall sonstiger Art, beispielsweise aus eherechtlichen oder erbschaftlichen Ansprüchen. Den Beschuldigten bereits im jetzigen Zeitpunkt von der – ganzen oder teilweisen – Tragung der Untersuchungs- und Verfahrenskosten definitiv zu entbinden, wäre daher nicht gerechtfertigt.

7. Literatur

Leitfaden amtliche Mandate (Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich)