Wie reagiere ich auf eine Gefährdungsmeldung?

Wie ich nicht auf eine Gefährdungsmeldung reagieren sollte

Am 6. Juli 2019 veranstaltete der rechtsideologische Verein „Bürger für Bürger“, dessen Präsident die abstruse Verschwörungstheorie vertritt, dass die KESB aus politischen Gründen geschaffen worden sei, um Familien zu zerstören, in Adlikon (Regensdorf) einen Anlass, bei dem SVP-Nationalrat Pirmin Schwander ein Referat mit dem Titel „Die «missratene» Kesb-Reform“ hielt. Insbesondere seine Ausführungen zu bestimmten Gesetzesartikeln zeigen jedoch deutlich, dass er einen stark ideologischen Zugang zum Thema hat und dass ihm ein juristisch geschultes Denken fehlt. Vor allem stimmte Schwander das Hohelied auf die Familie an. Als Informationsveranstaltung war das Referat nicht sehr ergiebig. Ich würde das Ganze eher als eine ganz amüsante Plauderstunde mit Pirmin für Gleichgesinnte bezeichnen.

In seinem Referat kam Schwander auch auf das Thema „Gefährdungsmeldung“ zu sprechen. Dabei präsentierte er ein Musterschreiben, das er auch auf seiner Website anbietet, mit dem man auf ein Schreiben der KESB reagieren könne. Primär solle man sich wehren.

Schwander führte im Referat selbst aus, dass er etwas emotional geladen gewesen sei, als er diesen Brief geschrieben habe. Man müsse juristisch voll reinfahren. Dümmer geht’s wirklich nimmer! Meines Erachtens ist der Musterbrief grenzwertig und kontraproduktiv für die betroffenen Personen. Es liegt nicht in deren Interesse, wenn sie in grosser emotionaler Erregtheit fragwürdige Briefe verschicken. Schwander impft den betroffenen Personen eine Anti-KESB-Haltung ein, bürstet diese auf Krawall, bringt sie in den Konfrontationsmodus. Solch eine Haltung ist nicht sehr hilfreich für die betroffenen Personen.

In rechtlicher Hinsicht ist Schwanders Musterbrief einfach nur dümmlich und beinhaltet zudem viel Blablabla. Gestützt auf eine Gefährdungsmeldung muss die KESB zunächst den Sachverhalt feststellen, bevor sie darüber entscheiden kann, ob Schutzmassnahmen notwendig sind. Schwander zäumt mit seinem Brief das Pferd von hinten auf. Darum ist es völlig unnütz, in diesem Zeitpunkt zu schreiben, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ein solcher Brief schadet den betroffenen Personen mehr als er ihnen nützt. So hat man die KESB erst recht im Haus.

Wie ich besser auf eine Gefährdungsmeldung reagiere

Tipp 1: Cool bleiben

Uups, ein Brief von der KESB! Da flattern bei vielen schon die Nerven und beginnen zu hyperventilieren. Das ist aber ganz falsch. Als Erstes muss man einfach ganz cool bleiben. Durchatmen und nochmals durchatmen, bis man nicht mehr aufgeregt und abgekühlt ist. Kühlen Kopf bewahren. Und natürlich keine blöden Briefe an die KESB schreiben!

Tipp 2: Die KESB ist nicht der Feind

Viele haben, gerade wegen Einflüstern wie Schwander, von der KESB eine völlig falsche Vorstellung. Die Leute von der KESB sind nicht die Bösen. Man muss sich ganz einfach bewusst sein, dass die KESB eine Behörde mit genau definierten Aufgaben ist, die weitreichenden Kompetenzen hat. Ihr Handeln wird allerdings durch rechtsstaatliche Regeln geprägt. Die KESB ist folglich nicht eine allmächtige Behörde, denn ihre Entscheide können rechtlich überprüft werden. Die KESB ist ein Faktum, mit dem sich die betroffene Person herumschlagen muss, ob sie will oder nicht. Fundamentalopposition gegen die KESB ist deshalb komplett fehl am Platz. Vielmehr empfiehlt es sich, einen entspannten Zugang zur KESB haben, selbst wenn das einem schwierig fällt. Man muss sich immer bewusst sein, dass die KESB schliesslich auch nur mit Wasser kocht.

Zur Information: Leitfaden „Rechtliches Gehör in Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren“

Tipp 3: Nachdenken

Nicht immer informiert die KESB über den Urheber und den Inhalt der Gefährdungsmeldung. Dann heisst es als Nächstes: Nachdenken. Nicht hyperventilieren, nachdenken! Wer könnte für die Gefährdungsmeldung verantwortlich sein und was könnte er oder sie der KESB berichtet haben?

Tipp 4: Nachfragen

Danach empfiehlt es sich regelmässig, bei der KESB anzurufen und nach der zuständigen Person (siehe KESB-Schreiben) zu fragen. Dann fragt man ganz höflich, was die KESB genau von ihm oder von ihr wolle. Man muss mit den Leuten reden, dann erfährt man auch etwas. Zudem, wenn man ein gutes Einvernehmen mit den zuständigen Personen hat, wird es später einfacher, die KESB dazu zu bringen, im eigenen Sinne zu entscheiden. Darum keine Krawallschreiben à la Schwander!

Bei diesem Telefongespräch sollte man eine Kopie der Gefährdungsmeldung verlangen, damit man sich selbst ein Bild machen kann. Wenn man freundlich fragt, bekommt man von der KESB in der Regel auch ohne weiteres eine Kopie der Gefährdungsmeldung. Sollte die KESB jedoch mauern und versuchen, die betroffene Person abzuwimmeln, hilft der Hinweis, dass man auch zu einem Anwalt gehen könne, der Akteneinsicht verlangt.

Schliesslich ist es auch möglich, den Anhörungstermin zu verschieben. Vielleicht passt der Termin nicht oder man braucht mehr Zeit, um sich vorzubereiten. Das kann man auch gerade telefonisch erledigen.

Tipp 5: Beratung

Sehr empfehlenswert ist, sich rechtlich beraten zu lassen. Dies sollte bereits ganz am Anfang geschehen, denn, solange das Verfahren läuft, kann man auch auf dieses Einfluss nehmen.

Für eine erste Beratung empfiehlt sich eine Beratungsstelle, wie zum Beispiel die Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz (KESCHA) oder Pro Senectute.

Nicht empfehlenswert ist die Beratungsstelle von KESB-Schutz, weil der Verein politsch nicht neutral aufgestellt und die fachliche Kompetenz unklar ist. Auch nicht empfehlenswert sind Selbsthilfegruppen, da es diesen wegen ihrer eigenen Betroffenheit an der notwendigen Objektivität fehlt. Schliesslich sind auch Politiker nicht die richtigen Ansprechpersonen für eine objektive Beratung.

Regelmässig empfiehlt sich der Beizug eines Rechtsanwaltes zur Wahrung der eigenen Interessen im KESB-Verfahren. Rechtsanwälte sind Interessenvertreter und müssen von Gesetzes wegen hohe fachliche und persönliche Voraussetzungen erfüllen. Zudem unterstehen sie Berufsregeln, namentlich haben sie ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben und sie müssen Interessenkonflikte vermeiden.

Tipp 6: Selbstkritik

Nachdem man den Inhalt der Gefährdungsmeldung kennt, ist Selbstkritik gefragt. Das ist schwierig, muss aber sein. Ist die Gefährdungsmeldung gerechtfertigt oder nicht? In der Regel beinhaltet die Gefährdungsmeldung immer einen Kern Wahrheit. Leider fehlt es den betroffenen Personen nicht selten an der Fähigkeit der kritischen Selbstreflektion. Fehlende Krankheitseinsicht. Zum Beispiel Menschen mit Demenz, die nicht wahrnehmen können oder wollen, dass sie jetzt eingeschränkt sind und gewisser Hilfe bedürfen. Auch Rechtsanwälte müssen ihre Mandanten häufig mit der Realität konfrontieren und Tacheles reden. Die Fakten müssen auf den Tisch, selbst wenn es weh tut.

Wie man seine Interessen im weiteren Verfahren vertritt, hängt schliesslich von den konkreten Umständen ab. Es gibt Fälle, wo keine Schutzbedürftigkeit besteht. Das kann zu einem schnellen Ende des KESB-Verfahren führen, aber es kann auch sein, dass man hart kämpfen muss. Es gibt Fälle, wo offensichtlich ist, dass Schutzmassnahmen notwendig sind. Dann geht es darum, dass diese so ausgestaltet werden, dass die betroffene Person damit leben kann.

Tipp 7: Zuhören und sich einbringen

Bei einer Anhörung muss man den Vertretern der KESB ganz genau zuhören, was sie sagen oder was für Fragen sie stellen. Dann kann man darauf angemessen reagieren. Auf gewisse Probleme muss man eingehen und allenfalls Lösungen präsentieren. Man sollte ruhig und sachlich seinen Standpunkt vortragen. Wenn man dagegen nur auf Verweigerung macht, den Kopf in den Sand steckt und bestehende Probleme einfach negiert, tut man sich keinen Gefallen.