Die KESB-Klagebewilligung

Im Gegensatz zu ehelichen Kindern bestehen in Bezug auf uneheliche Kinder nach wie vor unterschiedliche Zuständigkeiten. Bei ehelichen Kindern werden Unterhalt und Kinderbelange im Rahmen von Eheschutz- und Scheidungsverfahren vom Gericht geregelt. Bei unehelichen Kindern ist teils die KESB, teils das Gericht zuständig.

In Bezug auf die elterliche Sorge, Obhut (Aufenthaltsbestimmungsrecht) und Betreuung von unehelichen Kindern ist grundsätzlich nur die KESB zuständig. Für die Regelung des Kinderunterhalts ist dagegen die KESB nur zuständig, wenn eine Einigung zwischen den Kindeseltern vorliegt (Genehmigung von Unterhaltsverträgen). Gestützt auf diese Zuständigkeit bietet die KESB als Service an, den unverheirateten Kindeseltern bei der Erarbeitung von Unterhaltsverträgen zu helfen. Dabei werden diese in der Stadt Zürich an die Fachstelle Elternschaft und Unterhalt oder sonst an den Regionalen Rechtsdienst des Amtes für Jugend und Berufsberatung verwiesen. Sollte dort jedoch keine Einigung zustande kommen, kann die KESB schliesslich nicht den Unterhalt autoritativ festsetzen. Der Kinderunterhalt muss dann mittels Unterhaltsklage beim Gericht geltend gemacht werden.

Um diese Zuständigkeitsspaltung zwischen KESB und Gericht zu vermeiden, sieht das Gesetz seit 2017 vor, dass das Gericht bei Unterhaltsklagen auch über die elterliche Sorge, Obhut und Betreuung entscheiden kann. Dadurch wurde die Unterhaltsklage zu einer Art Trennungsklage aufgewertet, allerdings ist diese unvollständig (vgl. Weniger KESB mehr Gericht: Die „Trennungklage“ für Konkubinatspaare). Ich bezeichne das auch als aufgemotzte Unterhaltsklage. Nicht selten stehen die Kinderbelange im Zentrum von solchen Klagen und der Unterhalt ist nur ein Nebenpunkt.

Art. 298b ZGB
Aquater. Anerkennung und Vaterschaftsurteil / II. Entscheid der Kindesschutzbehörde
(…)
3 Zusammen mit dem Entscheid über die elterliche Sorge regelt die Kindesschutzbehörde die übrigen strittigen Punkte. Vorbehalten bleibt die Klage auf Leistung des Unterhalts an das zuständige Gericht; in diesem Fall entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.
(..)

Art. 298d ZGB
Aquater. Anerkennung und Vaterschaftsurteil / IV. Veränderung der Verhältnisse
1 Auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder von Amtes wegen regelt die Kindesschutzbehörde die Zuteilung der elterlichen Sorge neu, wenn dies wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2 Sie kann sich auf die Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken.
3 Vorbehalten bleibt die Klage auf Änderung des Unterhaltsbeitrags an das zuständige Gericht; in diesem Fall regelt das Gericht nötigenfalls die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange neu.

Art. 304 ZPO
Zuständigkeit
(…)
2 Im Fall einer Unterhaltsklage entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.

Im Gegensatz zu Eheschutzbegehren (Art. 198 Bst. a ZPO) und Scheidungsklagen (Art. 198 Bst. c ZPO) kann die Unterhaltsklage nicht direkt beim Gericht eingereicht werden. Es ist ein vorgängiges Schlichtungsverfahren beim Friedensrichter notwendig.

Art. 197 ZPO
Grundsatz
Dem Entscheidverfahren geht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus.

Der Friedensrichter stellt nach der gescheiterten Schlichtung dem Unterhaltskläger eine Klagebewilligung aus, welche für die Einreichung der Klage beim Gericht erforderlich ist.

Art. 209 ZPO
Klagebewilligung
1 Kommt es zu keiner Einigung, so hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung:
a. (…)
b. in den übrigen Fällen: der klagenden Partei.
2 Die Klagebewilligung enthält:
a. die Namen und Adressen der Parteien und allfälliger Vertretungen;
b. das Rechtsbegehren der klagenden Partei mit Streitgegenstand und eine allfällige Widerklage;
c. das Datum der Einleitung des Schlichtungsverfahrens;
d. die Verfügung über die Kosten des Schlichtungsverfahrens;
e. das Datum der Klagebewilligung;
f. die Unterschrift der Schlichtungsbehörde.
3 Nach Eröffnung berechtigt die Klagebewilligung während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht.
4 (…)

Das Gesetz sieht jedoch seit 2017 vor, dass, wenn vor der Klage ein Elternteil die KESB angerufen hat, kein Schlichtungsverfahren erforderlich ist. Die KESB stellt der betroffenen Person ein Schreiben aus, in dem sie diesem Umstand festhält. Dabei handelt es um ein Äquivalent zu einer Klagebewilligung. Ich bezeichne das als KESB-Klagebewilligung. Im „Leitfaden neues Unterhaltsrecht“ des Obergerichts finden sich zwei Muster (Anhänge B und C), wie eine solche formuliert werden kann.

Art. 198 ZPO
Ausnahmen
Das Schlichtungsverfahren entfällt:
(…)
bbis. bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB);
(…)

Das Bundesgericht äusserte sich in einem Urteil vom 26. November 2019 (5A_459/2019) zu dieser Thematik folgendermassen:

3.2. Gemäss Art. 198 lit. bbis ZPO entfällt das Schlichtungsverfahren bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB). Dieser Ausnahmetatbestand vom Schlichtungsobligatorium wurde erst im Zuge der Revision des Kindesunterhaltsrechts eingeführt. Gesetzgeberischer Gedanke hinter dieser Bestimmung war die Vermeidung von Leerläufen in Fällen, in denen bereits bei der Kindesschutzbehörde erfolglos eine Einigung gesucht wurde (AB 2014 S 1126; AB 2015 N 86 f.).

3.3.1. Der Wortlaut von Art. 198 lit. bbis ZPO lässt offen, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um von einer gehörigen Verfahrenseinleitung im Sinne dieser Bestimmung auszugehen. In der Lehre wird vorgebracht, dass nach der ratio legis von Art. 198 lit. bbis ZPO, welche in der Vermeidung von Doppelspurigkeiten liegt (vgl. E. 3.2), ein minimales vermittelndes Element zu verlangen ist, das wenigstens darin bestehen muss, dass der andere Elternteil (vergeblich) zur Teilnahme an einem Vermittlungsversuch aufgefordert wurde (EVA SENN, Verfahrensrechtliche Streiflichter zu den Revisionen der elterlichen Sorge und des Kindesunterhaltsrechts, FamPra.ch 2017 S. 992; SAMUEL ZOGG, Selbständige Unterhaltsklagen mit Annexentscheid über die weiteren Kinderbelange – verfahrensrechtliche Fragen, FamPra.ch 2019 S. 9; vgl. auch JONAS SCHWEIGHAUSER/DIEGO STOLL, Neues Kindesunterhaltsrecht – Bilanz nach einem Jahr, FamPra.ch 2018 S. 646 f.). Sodann muss das Vermittlungsverfahren erfolglos abgeschlossen worden sein (ZOGG, a.a.O., S. 10).

3.3.2. Die Gesetzesbestimmung enthält bezüglich des Nachweises der Anrufung der Kindesschutzbehörde keine formellen Anforderungen. In gewissen Kantonen lassen die Kindesschutzbehörden nach erfolglosen Vermittlungsversuchen den Parteien schriftliche Bestätigungen zukommen. Im Kanton Zürich stellt die gerichtsübergreifende Arbeitsgruppe zum neuen Unterhaltsrecht in ihrem Leitfaden den Kindesschutzbehörden ein entsprechendes Musterschreiben zur Verfügung (abrufbar unter http://www.gerichte-zh.ch). Mangels gesetzlicher Formvorschriften kann der Nachweis auch in anderer Form erbracht werden (vgl. ZOGG, a.a.O., S. 10; SENN, a.a.O., S. 993).

Siehe auch das vorinstanzliche Urteil des Obergerichts vom 17. April 2019 (LZ190001).

Die ordentliche Klagebewilligung ist 3 Monate gültig. In Bezug auf die KESB-Klagebewilligung sieht das Gesetz dagegen keine Befristung vor. Das heisst aber nicht, dass diese unbefristet gültig ist. Dazu äusserte sich das Bundesgericht in diesem Urteil wie folgt:

3.3.3. Hinsichtlich der Wirkungsdauer eines Vermittlungsverfahrens vor der Kindesschutzbehörde äussert sich das Gesetz ebenfalls nicht. Im Lichte des Gesetzeszwecks besehen, kann ein solches Verfahren vor der Kindesschutzbehörde keine unbeschränkte Wirkung haben. Je weiter der Vermittlungsversuch vor der Kindesschutzbehörde zurückliegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verhältnisse verändert haben und ein erneuter Schlichtungsversuch sinnvoll sein kann bzw. kein Leerlauf darstellen würde. In der Lehre wird in Analogie zu Art. 209 Abs. 3 ZPO eine Frist von drei Monaten ab formellem Abschluss des Vermittlungsverfahrens postuliert (ZOGG, a.a.O., S. 11; so auch SCHWEIGHAUSER/STOLL, a.a.O., Fn. 239). In Anlehnung an die Praxis des Kantons Basel-Stadt wird überdies eine Frist von sechs Monaten genannt (SENN, a.a.O., S. 994).

4.1.2. Es ist weiter unbestritten, dass das Schreiben vom 10. Oktober 2017 vor Gericht als Beleg für die Erfüllung des Ausnahmetatbestands von Art. 198 lit. bbis ZPO hätte dienen können. In Übereinstimmung mit den zitierten Lehrmeinungen (E. 3.3.3) ist indes davon auszugehen, dass ein Einigungsverfahren vor der Kindesschutzbehörde bzw. ein solches Bestätigungsschreiben lediglich eine zeitlich limitierte Geltungswirkung haben kann. Sinn und Zweck von Art. 198 lit. bbis ZPO ist es, Schlichtungsverfahren in Fällen auszuschliessen, in denen bereits ein Einigungsversuch stattgefunden hat, weshalb erneute Vermittlungsbemühungen zwecklos wären. Ein möglicher Leerlauf kann dabei freilich nur bejaht werden, wenn der Zeitpunkt des letzten Vermittlungsversuchs nicht zu weit in der Vergangenheit liegt. Vorliegend vergingen knapp acht Monate zwischen der Ausstellung des besagten Schreibens (10. Oktober 2017) und der Einleitung der Klage (8. Juni 2018). Bei isolierter Betrachtung dieser Vorgänge und ohne Festlegung einer exakten „Frist“, wäre die Klage wenigstens im vorliegenden Fall verspätet erfolgt.

5. Die Vorinstanz hat nicht ausschliesslich auf die Vermittlungsbemühungen der KESB abgestellt. Sie hat vielmehr auch berücksichtigt, dass sich innerhalb weniger Monate nicht nur die KESB, sondern auch das Friedensrichteramt mit der Streitsache befasst und den Kindseltern Gelegenheit zur einvernehmlichen Regelung eingeräumt hat (E. 3.1).

5.3. Mit der Lehre ist davon auszugehen, dass nach der ratio legis von Art. 198 lit. bbis ZPO ein minimales vermittelndes Element verlangt wird, aber auch genügt (vgl. E. 3.3.1). Im vorliegenden Fall wurden die Eltern für den 18. April 2018 zu einer Schlichtungsverhandlung vorgeladen, und sie sind dort erschienen. In diesem Rahmen hätten die Parteien bei entsprechender Bereitschaft unter Beisein der Friedensrichterin verhandeln können. Mit anderen Worten lag eine Gelegenheit, sich einvernehmlich zu einigen und damit ein „minimales vermittelndes Element“ im Sinne von Art. 198 lit. bbis ZPO vor, ungeachtet dessen, dass besagte Verhandlung in Abweichung vom Gesetzeswortlaut nicht vor der Kindesschutzbehörde (vgl. E. 3.2), sondern vor der Schlichtungsbehörde (E. 5.-5.1) erfolgte. Ob anlässlich der Schlichtungsverhandlung tatsächlich Einigungsgespräche geführt worden sind oder nicht, worüber die Parteien unterschiedliche Behauptungen aufstellen, ist im vorliegenden Kontext ohne Belang. Damit braucht nicht auf die diesbezüglichen Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin eingegangen zu werden. Im Lichte der ratio legis im Sinne der gewissermassen erleichterten Voraussetzungen für die Einleitung einer Unterhaltsklage durfte die Vorinstanz das Schlichtungsverfahren vom 18. April 2018 mitberücksichtigen und ohne Bundesrecht zu verletzen daraus ableiten, es hätten zeitnah und genügend Gelegenheiten für eine gütliche Einigung gegeben. Das alleinige Abstellen auf das Schreiben vom 10. Oktober 2017 und die analoge Anwendung der Dreimonatsfrist nach Art. 209 Abs. 3 ZPO würde dagegen aufgrund der besonderen Umstände des Falls und mangels gesetzlicher Fristbestimmung im Widerspruch zum Verbot des überspitzten Formalismus (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV) stehen (vgl. statt vieler: BGE 142 IV 299 E. 1.3.2 S. 304 f.). Im konkreten Fall konnte die Unterhaltsklage daher gestützt auf Art. 198 lit. bbis ZPO ohne Klagebewilligung gültig anhängig gemacht werden.

Mit dem Schlichtungsverfahren hatte es folgende Bewandtnis:

A.d. Des Weiteren fand am 18. April 2018 infolge Einreichung eines Schlichtungsbegehrens betreffend Kindesunterhalt seitens des Vaters vor dem Friedensrichteramt V. eine Schlichtungsverhandlung statt. Eine Klagebewilligung wurde nicht ausgestellt.

Eigentlich hätte dem Kindesvater eine Klagebewilligung ausgestellt werden müssen, was die KESB-Klagebewilligung überflüssig gemacht hätte. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Klageerhebung hätte sich dann erst gar nicht gestellt. Offenbar hat die Friedensrichterin aber versagt und rechtlich falsch entschieden und der Kindesvater hätte sowieso besser die Klage im Namen des Sohnes eingereicht:

5.4. Lediglich der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass die angebliche Begründung der Friedensrichterin, wonach es dem Kindsvater betreffend Kindesunterhalt an der Aktivlegitimation fehle, im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht. Danach wird dem Inhaber der elterlichen Sorge gestützt auf Art. 318 ZGB die Befugnis zuerkannt, die Rechte des minderjährigen Kindes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten (insbesondere betreffend Unterhaltsbeiträge) in eigenem Namen auszuüben und vor Gericht selber geltend zu machen, indem der Sorgerechtsinhaber persönlich als Partei, d.h. als sog. Prozessstandschafter handelt (BGE 142 III 78 E. 3.2 S. 80 f.; 136 III 365 E. 2 S. 367 f.; je mit Hinweisen).

Jedenfalls geht das Bundesgericht offenbar davon aus, dass unter normalen Umständen eine KESB-Klagebewilligung wie eine ordentliche Klagebewilligung nur 3 Monate Gültigkeit hat, was richtig ist.

Meines Erachtens wäre es angezeigt, dass auf das Schlichtungsverfahren gänzlich verzichtet wird und dass Kinderunterhaltsklagen direkt beim Gericht eingereicht werden können. Dann braucht es keine Klagebewilligung mehr. Die Unterhaltsberechnung ist heutzutage sehr anspruchsvoll, was juristisches Wissen erfordert. Zudem frage ich mich, ob eigentlich Friedensrichter überhaupt zuständig sind, um Einigungen in Bezug auf Kinderbelange genehmigen zu können. Richtig wäre es jedenfalls nicht. Kinderbelange sollten einzig von Richtern entschieden werden. Es sollte die gleiche Rechtslage wie bei Eheschutzbegehren und Scheidungsklagen gelten, die direkt beim Gericht eingereicht werden können. Das Schlichtungsverfahren ist heutzutage nur noch ein prozessualer und kostspieliger Leerlauf. Man geht nur dorthin, um die Klagebewilligung abzuholen. Eine Schlichtung findet nicht wirklich statt. Demzufolge betreibe ich als Anwalt für das Schlichtungsverfahren auch keinen grossen Aufwand. Ein Verzicht auf das Schlichtungsverfahren wäre ganz leicht zu bewerkstelligen, indem man in Art. 198 Bst. bbis ZPO den zweiten Halbsatz streicht.

Schliesslich ist noch auf einen gewichtigen Unterschied zwischen ordentlicher Klagebewilligung und KESB-Klagebewilligung hinzuweisen: Mit der Kinderunterhaltsklage kann rückwirkend für ein Jahr vor der Klageerhebung Unterhalt geltend gemacht werden (Art. 279 ZGB). Die Klage gilt als rechtshängig ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung (Schlichtungsgesuch) beim Friedensrichter (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Bei der KESB-Klagebewilligung ist dagegen, da nichts anderes gesetzlich vorgesehen ist, die Unterhaltsklage erst rechtshängig, wenn diese beim Gericht eingereicht wird (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Sollte man somit rückwirkenden Unterhalt geltend machen wollen, empfiehlt es sich, nicht die KESB um Vermittlung zu ersuchen, sondern die Klage direkt beim Friedensrichter einzureichen.

Nachtrag vom 22. April 2020

Im Moment läuft ein Gesetzgebungsverfahren betreffend Änderung der Zivilprozessordung. Am 30. Mai 2018 erstattete der Regierungsrat des Kantons Zürich diesbezüglich seine Vernehmlassungsantwort (RRB 494/2018) und schlug im Sinne eines zusätzlichen Anpassungsbedarfs eine Änderung von Art. 198 Bst. bbis ZPO vor:

Art. 198 Bst. bbis ZPO (Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren)

Der VE-ZPO befasst sich zwar nicht ausdrücklich mit der Bestimmung von Art. 198 Bst. bbis ZPO. Dennoch möchten wir die Gelegenheit der Vernehmlassung nutzen, um auf die Problematik dieser Bestimmung hinzuweisen. Art. 198 Bst. bbis ZPO wurde mit dem neuen Kinderunterhaltsrecht in die Zivilprozessordnung aufgenommen und ist seit dem 1. Januar 2017 in Kraft. Dieser Artikel hat sich, insbesondere nach der Einführung des neuen Unterhaltsrechts mit zum Teil hochkomplexen Berechnungen, in der Praxis nicht als tauglich erwiesen. Art. 198 Bst. bbis ZPO räumt den Eltern das Wahlrecht ein, Klagen über den Unterhalt des Kindes und weiterer Kinderbelange entweder bei der Schlichtungsbehörde anhängig zu machen oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) anzurufen. Im Gegensatz zur KESB besitzt die Schlichtungsbehörde jedoch nicht die Kompetenz, eine Vereinbarung über Kinderunterhaltsbeiträge zu genehmigen. Einem Vergleich oder einer Klageanerkennung kommt damit entgegen Art. 208 Abs. 2 ZPO nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides zu, da dem die Genehmigungspflicht gemäss Art. 287 ZGB im Wege steht. Allein schon aus diesem Grund erweist sich die Anrufung der Schlichtungsbehörde in diesen Fällen als zwecklos. Eine Vereinbarung, die im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zustande gekommen ist, muss durch das Gericht oder die KESB genehmigt werden. Unklar ist, wer für die Genehmigung der Vereinbarung zuständig ist, ob es sich hierbei um die KESB oder das Gericht handelt. Im Kanton Zürich wird mehrheitlich die Ansicht vertreten, dass eine solche Vereinbarung durch das Gericht zu genehmigen sei. Ein Vermittlungsversuch, wie ihn die Schlichtungsbehörde vorzunehmen hätte, kann auch im gerichtlichen Verfahren erfolgen.

In der Botschaft zum neuen Kinderunterhaltsrecht ist in der Präambel sodann als Ziel der Änderung formuliert, dass Kinder unabhängig vom Zivilstand ihrer Eltern gleichbehandelt werden müssten. Diesem Ziel sollte auch in prozessualer Hinsicht Rechnung getragen werden. Verheiratete Eltern, welche sich trennen, können für die Regelung der Nebenfolgen und damit auch zur Regelung der Kinderbelange (elterliche Sorge, Obhut, Besuchsrecht, Unterhalt usw.) direkt und ohne vorheriges Schlichtungsverfahren an das Gericht gelangen. Durch die Bestimmung in Art. 198 Bst. bbis ZPO müssen Eltern, die nicht verheiratet sind, zuerst zur KESB oder zur Schlichtungsbehörde. Das stellt eine nicht nachvollziehbare und unnötige Ungleichbehandlung von Kindern unverheirateter Eltern dar, weil – wie erwähnt – das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde wegen der Genehmigungspflicht auch bei Vermittlung einer Vereinbarung nicht abgeschlossen werden kann. Im Rahmen der Anpassung der Zivilprozessordnung sollten die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung der Ansprüche der minderjährigen Kinder unverheirateter Eltern vereinfacht und klargestellt werden, dass ein Schlichtungsverfahren in jedem Fall entfällt.

Dies könnte etwa wie folgt formuliert werden: «Art. 198 Bst. bbis ZPO: bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weiterer Kinderbelange unabhängig davon, ob ein Elternteil die Kindes­schutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB).»

In der Botschaft zur Änderung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung) vom 26. Februar 2020 nahm der Bundesrat dieses Anliegen auf:

Art.198 Abs.1 Bst. bbis, f, h und i

Die Bestimmung regelt die Ausnahmen vom grundsätzlich obligatorischen Schlichtungsverfahren, das allen Entscheidverfahren vorausgehen soll. Dementsprechend enthält Artikel 198 ZPO einen abschliessenden Katalog von Ausnahmen vom Obligatorium der Schlichtung. Dieses System hat sich bewährt (vgl. Ziff.1.1.5 und Ziff.4.1.3). Zur weiteren Verbesserung dieses Systems schlägt der Bundesrat vier Anpassungen am geltenden Artikel 198 ZPO vor:

– Mit der Revision des Kindesunterhaltsrechts wurde in Absatz 1 ein neuer Buchstabe bbis eingefügt, wonach ein Schlichtungsverfahren bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange entfällt, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat. Mit der im Rahmen der parlamentarischen Beratungen eingefügten Bestimmung sollten Doppelspurigkeiten vermieden werden, da ein Schlichtungsverfahren bei vorgängiger Befassung der Kindesschutzbehörde mit Möglichkeit zur Schlichtung überflüssig erscheint. Seit Inkrafttreten hat sich gezeigt, dass ein Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörden über diese Fälle hinaus in weiteren Konstellationen entbehrlich ist: Zum einen bedürfen vor der Schlichtungsbehörde gefundene Einigungen in Bezug auf den Unterhalt des Kindes stets der Genehmigung des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde, was in diesen Fällen zu Doppelspurigkeiten führt. Zum andern wird jedes Gericht und jede Kindesschutzbehörde in einem ersten Schritt beziehungsweise im Rahmen einer jederzeit möglichen Instruktionsverhandlung nach den Artikeln 226 und 246 Absatz 2 ZPO versuchen, eine einvernehmliche Einigung zwischen den Parteien zu finden, so dass das Ziel des Schlichtungsverfahrens faktisch ohnehin erreicht werden kann. Daher haben in der Vernehmlassung mehrere Teilnehmende vorgeschlagen, Streitigkeiten über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange generell vom Obligatorium des Schlichtungsverfahrens auszunehmen. Nach Ansicht des Bundesrates ist dies sinnvoll und konsequent, weil es zu einer einfacheren und kohärenteren Verfahrensregelung im Interesse und zum Wohl des Kindes führt und weiterhin die Möglichkeit eines Schlichtungsversuchs durch das Gericht oder die Kindesschutzbehörde gewährleistet ist, die eine allfällige Einigung zudem auch wirksam genehmigen können.

Im Entwurf wurde folglich der zweite Halbsatz von Art 198 Abs. 1 Bst. bbis ZPO gestrichen. Somit ist kein Schlichtungsverfahren für Unterhaltsklagen mehr notwendig. Mit dieser Gesetzesänderung wird folglich auch ein gesetzgeberischer Schnellschuss des Parlaments korrigiert. Es zeigt sich einmal mehr, dass ohne ordentliches Gesetzgebungsverfahren, namentlich ohne Vernehmlassung, die Gesetzgebungsqualität stark leidet. Mit dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung wird die KESB-Klagebewilligung somit bereits wieder Geschichte sein.