Neues Namens- und Bürgerrechtsrecht

Das Namens- und Bürgerrechtsrecht bei Eheschliessung war bei Juristen während Jahrzehnten ein altbekannter Diskussionsgegenstand. Das ändert sich nun mit der Änderung des Zivilgesetzbuches vom 30. September 2011, die am 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Damit werden die verfassungsmässigen Vorgaben (Gleichberechtigung, Diskriminierungsverbot) endlich nachvollzogen.

Es gilt nun der Grundsatz, dass jeder Ehegatte bei der Eheschliessung seinen Namen und sein Bürgerrecht behält. Die Ehegatten haben die Möglichkeit, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen. Den Bürgern wird nun erstmals das Recht zugestanden, im Falle der Heirat frei über ihren Namen entscheiden zu können. Vor allem wird die Ehefrau beim Namen nicht mehr diskriminiert.

Art. 160  Name
1 Jeder Ehegatte behält seinen Namen.
2 Die Brautleute können aber gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten erklären, dass sie den Ledignamen der Braut oder des Bräutigams als gemeinsamen Familiennamen tragen wollen.
3 Behalten die Brautleute ihren Namen, so bestimmen sie, welchen ihren Ledignamen ihre Kinder tragen sollen. In begründeten Fällen kann die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte die Brautleute von dieser Pflicht entbinden.

Art. 119  Name
Der Ehegatte, der bei der Eheschliessung seinen Namen geändert hat, behält diesen Namen nach der Scheidung; er kann aber jederzeit gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten erklären, dass er wieder seinen Ledignamen tragen will.

Art. 161 Bürgerrecht
Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht.

Zudem wurde in den Übergangsbestimmungen die Möglichkeit geschaffen, dass auch Ehegatten bei bereits bestehender Ehe wieder und ohne Beachtung von Fristen zu ihrem ledigen Namen zurückkehren können (Art. 8a SchT ZGB).

Für Partner in eingetragener Partnerschaft wird neu das Recht zugestanden, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen (Art. 12a Abs. 2 PartG).

Dokumentation der Gesetzgebung: Bundesamt für Justiz

Unberührt von dieser Revision ist der sogenannte Allianzname (vgl. BGE 110 II 97, 120 III 60), der in der Schweiz weit verbreitet ist. Der Allianzname ist eine Verbindung von Familienname und Ledigname der Ehefrau mittels Bindestrich. Dabei handelt es sich um einen gewohnheitsrechtlichen, nicht amtlichen Namen, allerdings wird der Allianzname teilweise offiziell anerkannt (Art. 2 Abs. 4 AwG, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 VAwG).

In Bezug auf ausländische Staatsangehörige ist darauf hinzuweisen, dass diese gemäss Art. 37 Abs. 2 IPRG die Möglichkeit haben, ihren Namen dem Heimatrecht zu unterstellen. Das kann andere Namensbildungen ermöglichen, als nach schweizerischem Recht sonst möglich sind.

Historischer Exkurs

Erst seit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches im Jahr 1912 besteht ein national einheitliches Namens- und Bürgerrechtsrecht. Das Familienrecht hatte eine patriarchale Ausrichtung und die Ehefrau wurde im Wesentlichen nur als Anhängsel des Ehemannes betrachtet. Es gab eine klare Rollenverteilung. Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter war man noch weit entfernt.

Art. 160  Der Ehemann
1 Der Ehemann ist das Haupt der Familie.
2 Er bestimmt die eheliche Wohnung und hat für den Unterhalt von Weib und Kindern in gebührender Weise Sorge zu tragen.

Art. 161  Die Ehefrau
1 Die Ehefrau erhält den Familiennamen und das Bürgerrecht des Mannes.
2 Sie steht dem Manne mit Rat und Tat zur Seite und hat ihn in seiner Sorge für die Gemeinschaft nach Kräften zu führen.
3 Sie führt den Haushalt.

Art. 149 Stellung der geschiedenen Frau
1 Ist die Ehefrau geschieden, so behält die Ehefrau ihren Personenstand, nimmt aber den Namen wieder an, den sie vor Abschluss dieser Ehe getragen hat.
2 War sie vor Abschluss der Ehe Witwe, so kann ihr im Urteil gestattet werden, ihren angestammten Familiennamen wieder anzunehmen.

1981 wurden in der Bundesverfassung der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter und das Diskriminierungsverbot festgeschrieben. Dazu im Widerspruch standen offensichtlich die ZGB-Regelungen, nach denen die Ehefrau zwingend den Namen des Ehemannes und dessen Bürgerort annehmen muss. Auch dass die geschiedene Ehefrau den angenommenen Namen wieder verliert, war diskriminierend.

Mit dem neuen Eherecht von 1984, das übrigens von Christoph Blocher mit einem Referendum bekämpft worden war, und 1988 in Kraft getreten ist, wurde ein partnerschaftliches Eherecht geschaffen. In Bezug auf das Namens- und Bürgerrechtsrecht waren die Politiker jedoch noch nicht bereit, die verfassungsmässigen Vorgaben durchzusetzen. Die Revision blieb somit auf halben Weg stecken. Der Ehemann behielt seine dominante Stellung. Der Kompromiss sah vor, dass die Ehefrau die Möglichkeit eines Doppelnamens erhielt, indem sie den Ledignamen dem Familiennamen (ohne Bindestrich) voranstellen konnte. Zudem verlor sie den angeheirateten Namen nicht mehr bei der Scheidung. Ferner verlor sie das ursprüngliche Bürgerrecht bei der Heirat nicht mehr. Der Ehegatte konnte dagegen das Bürgerrecht seiner Ehefrau nicht annehmen (BGE 125 III 209).

Art. 160 Familienname
1  Der Name des Ehemannes ist der Familienname der Ehegatten.
2  Die Braut kann jedoch gegenüber dem Zivilstandsbeamten erklären, sie wolle ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen.
3  Trägt sie bereits einen solchen Doppelnamen, so kann sie lediglich den ersten Namen voranstellen.

Art. 119 Stellung geschiedener Ehegatten
1  Der Ehegatte, der seinen Namen geändert hat, behält den bei der Heirat erworbenen Familiennamen, sofern er nicht binnen einem Jahr, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten erklärt, dass er den angestammten Namen oder den Namen, den er vor der Heirat trug, wieder führen will.
2 Das Kantons- und Gemeindebürgerrecht wird von der Scheidung nicht berührt.

Art. 161 Kantons- und Gemeindebürgerrecht
Die Ehefrau erhält das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Ehemannes, ohne das Kantons- und Gemeindebürgerrecht zu verlieren, das sie als ledig hatte.

Auch wenn keine freie Wahl des Familiennamens vorgesehen war, wurde die Möglichkeit geschaffen, mittels Gesuch um Namensänderung den Namen der Ehefrau als Familiennamen zu führen. Die diesbezügliche Rechtsprechung war, gerade wegen der verfassungsrechtlichen Problematik, relativ liberal.

Art. 30 Namensänderung
2 Das Gesuch der Brautleute, von der Trauung an den Namen der Ehefrau als Familiennamen zu führen, ist zu bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.

Da das schweizerische Namensrecht in Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stand, wurde die Schweiz in Strassburg mehrfach verurteilt:

– 22.2.1994 Burghartz c. Suisse
(Unmöglichkeit für den Ehemann, dem als Familiennamen gewählten Namen seiner Ehefrau seinen eigenen Namen voranzustellen.)

– 9.11.2010 Losonci Rose et Rose c. Suisse (deutschsprachiger Artikel)
(Beibehaltung des eigenen Namens nach der Heirat)

Nicht zuletzt diese Verurteilungen führten zum längst überfälligen Paradigmenwechsel im Namensrecht, was 2011 eine verfassungsgemässe Ausgestaltung ermöglichte.