Der unfähige Friedensrichter

Letztes Wochenende fanden im Kanton Zürich die Erneuerungswahlen der Friedensrichterinnen und Friedensrichter für die Amtsdauer 2015–2021 statt. Fachliche Anforderungen an das Amt des Friedensrichters sind dabei nicht erforderlich. Jede wahlfähige Person kann somit Friedensrichter werden (vgl. § 3 GPR).

Der Friedensrichter führt das Schlichtungsverfahren durch (Art. 202 ff. ZPO). Das Ziel ist, eine Einigung zwischen den Parteien zu erreichen (Art. 208 ZPO). Falls keine Einigung zustande kommt, stellt der Friedensrichter dem Kläger die Klagebewilligung aus, damit dieser die Klage beim Bezirksgericht hängig machen kann (Art. 209 ZPO).

Der Friedensrichter kann bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis CHF 5’000.‒ den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 210 ZPO). Der Urteilsvorschlag wird zum Urteil, wenn dieser nicht von einer Partei abgelehnt wird (Art. 211 ZPO). Schliesslich kann der Friedensrichter auf Antrag des Klägers vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 2’000.‒ in eigener Kompetenz entscheiden (Art. 212 ZPO).

Das Schlichtungsverfahren ist eigentlich eine gute Sache. Auf einer niederschwelligen und formell einfachen Ebene und relativ günstig sollen Streitfälle erledigt werden. So sollen namentlich die ordentlichen Gerichte entlastet werden. Damit jedoch den Parteien vernünftige Vergleichsvorschläge unterbreitet werden können, ist es notwendig, dass der Friedensrichter über juristisches Wissen verfügt, z.B. im Arbeitsrecht. Mit reinem gesunden Menschenverstand kommt man leider häufig nicht weiter, wenn auch menschliche Qualitäten sehr wichtig sind. Dass es ohne juristisches Know-how nicht geht, ist auch dem Verband der Friedensrichterinnen und Friedensrichter im Kanton Zürich klar, denn dieser bietet seinen Mitgliedern Aus- und Weiterbildung an.

Ohne rechtliches Wissen geht es jedenfalls nicht mehr, wenn der Friedensrichter in eigener Kompetenz entscheiden muss. Es handelt sich dann nicht mehr um ein formloses Schlichtungsverfahren, sondern um einen formalistischen Zilvilprozess. Wohl handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren (Art. 243 ff. ZPO), jedoch gelten die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens sinngemäss (Art. 219 ZPO). Ein Zivilprozess kann deshalb sehr schnell sehr anspruchsvoll werden. Das zeigt der folgende Fall, in dem der Friedensrichter alles falsch gemacht hat, was man nur falsch machen kann. Die Vorstellung des Friedensrichters war einfach nur peinlich und zeigt eine erschreckende Unkenntnis von rechtlichem Basiswissen auf. Die Kritik des Obergerichts war denn auch überdeutlich.

ZPO 212
Urteil des Friedensrichters
18.02.2015 | RU140061 | Obergericht des Kantons Zürich | II. Zivilkammer

Grobe Mängel inhaltlicher und formeller Natur: Verletzung des rechtlichen Gehörs, Verletzung der Bestimmungen über unbestellt zugesandte Waren, Abänderung des Dispositivs zwischen unbegründeter und begründeter Version des Urteils.

Ob der besagte Friedensrichter sich letztes Wochenende nochmals zur Wahl gestellt hat, weiss ich nicht. Nach diesem Urteil des Obergerichts hätte er jedoch zur Einsicht gelangen müssen, dass er mit der Aufgabe als Friedensrichters überfordert ist, und hätte die Konsequenzen ziehen müssen. Ein unfähiger Friedensrichter kann nicht nur seine Arbeit nicht ordentlich erledigen, er ist auch eine Zumutung für das rechtssuchende Publikum.

Einmal war ich bei einem älteren Friedensrichter im Kanton Zürich. Dieser hatte den Inhalt meiner Klage jedoch offensichtlich überhaupt nicht verstanden. Dem entsprechend waren seine Äusserungen anlässlich der Sühnverhandlung sehr hilflos. Schliesslich war es aber egal, dass der Friedensrichter nicht kompetent gewesen war, denn ich brauchte nur die Weisung (heute Klagebewilligung), um ans Bezirksgericht gelangen zu können.

Die Zeit von juristischen Laien als Friedensrichter ist endgültig vorbei. Im Gegensatz zu früher können sich die Parteien heute von Rechtsanwälten begleiten lassen (Art. 204 Abs. 2 ZPO). Das erfordert, dass der Friedensrichter auf Augenhöhe mit den Parteivertretern den Fall diskutieren können muss. Ohne rechtliches Wissen geht das jedenfalls nicht. Nur so ist es möglich, den Parteien einen vernünftigen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, dem die Parteien schliesslich auch zustimmen können. Ansonsten bleibt der Friedensrichter nicht mehr als eine mühselige Durchgangsstation zum Bezirksgericht.