KESB als Fachbehörde

Einleitung

Mit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches im Jahr 1912 wurde das Vormundschaftsrecht national vereinheitlicht. Als vormundschaftliche Behörden wurden die Vormundschaftsbehörde und die Aufsichtsbehörde vorgesehen, wobei die Organisation den Kantonen überlassen wurde (Art. 361 aZGB). Die Aufsichtsbehörde war im Kanton Zürich der Bezirksrat.

Die Vormundschaftsbehörde hatte dabei nicht die Kompetenz, über sämtliche vormundschaftlichen Geschäfte zu entscheiden. Vielmehr musste die Vormundschaftsbehörde gewisse Geschäfte dem Bezirksrat zur Genehmigung vorlegen (Art. 422 aZGB). Im Kanton Zürich mussten zudem Berichte von vormundschaftlichen Amtsträgern, namentlich Beiständen, durch den Bezirksrat genehmigt werden (Art. 423 Abs. 3 aZGB).

Die Totalrevision des Vormundschaftsrechts startete im Jahr 1993. Die Botschaft des Bundesrates datiert vom 28. Juni 2006. Die umfangreiche Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 19. Dezember 2008 trat auf den 1. Januar 2013 in Kraft.

Auch heute gibt es noch eine Aufsichtsbehörde (Art. 441 ZGB). Im Kanton Zürich ist dies die Direktion der Justiz und des Innern (Gemeindeamt) (§ 13 EG KESR). Die Aufsicht ist jedoch rein administrativer Natur. Die Entscheidungsbefugnis in den konkreten Fällen obliegt somit einzig der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB).

Fach- statt Laienbehörde

Der Bundesgesetzgeber hat entschieden, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Fachbehörde zu sein hat:

Art. 440 ZGB
A. Erwachsenenschutzbehörde
1 Die Erwachsenenschutzbehörde ist eine Fachbehörde. Sie wird von den Kantonen bestimmt.
2 Sie fällt ihre Entscheide mit mindestens drei Mitgliedern. Die Kantone können für bestimmte Geschäfte Ausnahmen vorsehen.
3 Sie hat auch die Aufgaben der Kindesschutzbehörde.

In der parlamentarischen Beratung war das neue Erwachsenenschutzrecht nicht umstritten gewesen, weshalb auch kein Referendum dagegen ergriffen worden ist. Vor diesem Hintergrund überrascht die heute hitzig geführte Diskussion über die KESB umso mehr.

Der Bundesrat führte in der Botschaft vom 28. Juni 2006 Folgendes aus (S. 7020):

1.3.9 Fachbehörden als Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

Die Vormundschaftsbehörde ist heute für die Durchführung der Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes verantwortlich. Sie fällt aber auch Entscheide von grosser Tragweite. So ist sie nach dem Kindesrecht für die Errichtung einer Beistandschaft, den Entzug der elterlichen Obhut und den erleichterten Entzug der elterlichen Sorge (Art. 308–310 und 312 ZGB) sowie für den Vermögensschutz (Art. 318 Abs. 2 und 3, 320 Abs. 2, 322 Abs. 2 und 324 f. ZGB) zuständig. Ferner fallen u.a. die Freigabe eines Kindes zur Adoption (Art. 265d ZGB) und die Regelung des Besuchsrechts ausserhalb eines Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens (Art. 275 ZGB) sowie die einvernehmliche Änderung von eherechtlichen Urteilen in Kinderbelangen in ihre Kompetenz (Art. 134 und 315b ZGB).

Gegenüber Erwachsenen ordnet die Vormundschaftsbehörde eine Beistandschaft nach den Artikeln 392–394 ZGB an. Zudem ist sie zuständig für Beschwerden gegen Handlungen von Mandatsträgern und -trägerinnen (Art. 420 Abs. 1 ZGB). Dagegen können die Kantone die zuständige Instanz für eine Entmündigung und eine Beiratschaft frei bezeichnen. Für strittige Entmündigungs- und Verbeiratungsverfahren ist in verschiedenen Kantonen ein Gericht zuständig.

In den welschen bzw. zweisprachigen Kantonen, mit Ausnahme der Kantone Jura, Bern und Wallis, sind die Vormundschaftsbehörden Gerichte (GE, NE) oder Friedensgerichte (VD, FR), die praktisch für alle Entscheide im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes zuständig sind.

In vielen Kantonen der deutschen Schweiz ist dagegen der Gemeinderat, d.h. die Exekutive der Gemeinde, oder eine besondere Kommission die Vormundschaftsbehörde.

Der Gemeinderat setzt sich aus Laien zusammen, die für politische Aufgaben demokratisch gewählt sind und keine fachlichen Vorgaben im Hinblick auf das Vormundschaftswesen erfüllen müssen. Das führt bei den schwierigen Entscheiden, die im Vormundschaftswesen zu treffen sind, fast zwangsweise zu einer starken Abhängigkeit vom Fachverstand von Hilfskräften oder von der Beratung durch die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde. Dieser fehlt aber nicht selten der Praxisbezug. Zudem kann sie durch ihre Beratungstätigkeit bei Beschwerden in ihrer Unabhängigkeit gefährdet sein. Aber auch beim Gemeinderat ist die Unabhängigkeit keineswegs immer gewährleistet. Die Nähe zur Bevölkerung mag zwar auf den ersten Blick ein Vorteil sein. Geht es indessen um Massnahmen, die sich insbesondere im Kindesschutz auch gegen gute Bekannte, die lokale Prominenz, gute Steuerzahler oder wichtige Arbeitgeber richten können, so ist die Nähe einem sachlichen und juristisch einwandfrei abgestützten Entscheid keineswegs zuträglich. Laienbehörden, die nicht über das erforderliche Fachwissen verfügen, sind zudem kaum in der Lage, eine grössere Zahl von Mandatsträgern und -trägerinnen effektiv zu kontrollieren und zu steuern. Sie können in dringlichen Fällen auch nur sehr beschränkt innert nützlicher Frist handeln. Neu kommt hinzu, dass das revidierte Recht Massnahmen nach Mass vorsieht, die an die Fachkompetenz der anordnenden Behörde hohe Anforderungen stellen.

Eine Überprüfung der Behördenstrukturen ist deshalb unumgänglich geworden. Dies gilt umso mehr, als es auch mit der Verfassung nur schwer vereinbar ist, einen für politische Fragen gewählten Gemeinderat Entscheide fällen zu lassen, die in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eingreifen, wie beispielsweise die Fremdplatzierung oder die Freigabe eines Kindes zur Adoption ohne Zustimmung der Eltern. Die Erfahrung zeigt, dass die Rechtsmittelinstanz die Entscheide der Laienbehörden häufig wegen Verfahrensmängeln beanstanden muss. In der Vernehm- lassung ist deshalb die Notwendigkeit einer Professionalisierung der Behörden praktisch unbestritten geblieben.

Einzelne Kantone haben die nötigen Strukturbereinigungen unabhängig vom geplanten Erwachsenenschutzrecht von sich aus bereits durchgeführt, andere haben sie in die Wege geleitet. Auf jeden Fall sollen mit dem Inkrafttreten des revidierten Rechts alle Entscheide im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes bei einer Behörde konzentriert werden, und diese Behörde muss eine Fachbehörde sein (Art. 440; für Einzelheiten siehe Ziff. 2.3.1 und 3.2). Für die innere Organisation der Fachbehörde sind die Kantone zuständig. Namentlich bestimmen sie, wie gross der Spruchkörper sein soll. Dass alle Mitglieder vollzeitlich arbeiten, ist nicht vorausgesetzt. Im Gegensatz zum Vorentwurf, der ein interdisziplinäres Fachgericht vorschreiben wollte, kann als Fachbehörde eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht eingesetzt werden. Die Organisationsfreiheit der Kantone wird damit so weit wie möglich gewahrt.

Weiter führte der Bundesrat Folgendes aus (S. 7073 f.):

Art. 440 Erwachsenenschutzbehörde

Sowohl die immer komplexeren psychosozialen Probleme, die es im Kindes- und Erwachsenenschutz zu bewältigen gilt, als auch künftig die Anordnung von Mass- nahmen nach Mass stellen hohe Anforderungen an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (vgl. Ziff. 1.3.9). In der Vernehmlassung ist deshalb das Erfordernis der Professionalität und Interdisziplinarität grossmehrheitlich unbestritten geblieben. Gleichzeitig wurde aber auch betont, dass die Organisationsfreiheit der Kantone so weit wie möglich zu wahren und nicht zwingend von Bundesrechts wegen ein interdisziplinär zusammengesetztes Fachgericht vorzuschreiben sei. Der Entwurf trägt diesen Anliegen durch die Vorschrift Rechnung, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eine Fachbehörde sein muss (Abs. 1 und 3). Es steht den Kantonen damit frei, eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht als Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einzusetzen. Wichtig ist, dass die Mitglieder der Behörde nach dem Sachverstand, den sie für ihre Aufgabe mitbringen müssen, ausgewählt werden. Sachverstand kann indessen auch durch Weiterbildung und Praxis erworben werden. Auf jeden Fall muss ein Jurist oder eine Juristin für eine korrekte Rechtsanwendung verantwortlich sein. Daneben sollten je nach Situation, die es zu beurteilen gilt, Personen mit einer psychologischen, sozialen, pädagogischen, treuhänderischen, versicherungsrechtlichen oder medizinischen Ausbildung mitwirken. Bei vermögensrechtlichen Fragen oder bei der Abnahme der Rechnung sind beispielsweise auch Personen mit Kenntnissen in der Vermögensverwaltung oder der Rechnungslegung erwünscht.

Ob die Behörde auf Gemeinde-, Bezirks-, Kreis- oder Regionsebene organisiert wird, bestimmen die Kantone. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass es in kleineren Gemeinden kaum möglich ist, Fachbehörden zu organisieren. Indessen können sich Gemeinden zusammenschliessen und eine gemeinsame Behörde schaffen. Mit dem Bundesrecht vereinbar ist auch ein Modell wie im Kanton Tessin, wo Vormundschaftskreise gebildet wurden und die Vormundschaftsbehörde zusammengesetzt ist aus zwei ständigen Mitgliedern und einem oder einer Delegierten der Wohnsitz- oder Aufenthaltsgemeinde der Person, über welche Entscheide zu treffen sind.

Die Frage, ob die Behördenmitglieder ihr Amt im Milizsystem oder berufsmässig ausüben oder ob ein gemischtes System gewählt wird, entscheiden ebenfalls die Kantone. Das Gleiche gilt für die Zahl der Mitglieder. Das Bundesrecht schreibt im Interesse einer gewissen Interdisziplinarität und im Hinblick auf die grosse Tragweite der zu treffenden Massnahmen lediglich vor, dass die Behörde in der Regel als Kollegialbehörde mit mindestens drei Mitgliedern entscheidet (Abs. 2 erster Satz). Die Kantone können selbstverständlich auch eine grössere Zahl von Mitgliedern vorsehen und die Spruchbehörde je nach dem Fall, den es zu beurteilen gilt, zusammensetzen.

Die Kompetenz einer Fachbehörde ist vor allem im Kernbereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes, d.h. bei der Anordnung von Massnahmen, gefragt; hier ist die kollegiale Zuständigkeit für die Entscheidung unentbehrlich. Daneben existieren aber manche Verfahren mit geringeren Ermessensspielräumen, in denen aus Gründen der Flexibilität und Speditivität vom Erfordernis eines Kollegiums abgesehen werden kann. Die Kantone können deshalb für bestimmte Geschäfte Ausnahmen, d.h. die Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds der Behörde, vorsehen (Abs. 2 zweiter Satz). Im Gegensatz zu Artikel 12 des Vorentwurfs für ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden belässt der Entwurf den Kantonen auch hier die organisatorische Verantwortung und verzichtet darauf, die Fälle der Einzelzuständigkeit von Bundesrechts wegen festzuhalten.

Die Erwachsenenschutzbehörde ist für die Aufgaben, die der Kindesschutzbehörde übertragen sind, ebenfalls zuständig (Abs. 3). Unter den beiden Behörden besteht somit Personalunion.

Den Ausführungen des Bundesrates kann ich vollumfänglich zustimmen. Der Entscheid für eine Fachbehörde, welche über Fragen des Kindes- und Erwachsenschutzes zu entscheiden hat, ist richtig. Eine Rückkehr zu Laienbehörden macht sachlich keinen Sinn.

Der Kanton Zürich konkretisierte die Vorgaben des Bundes im Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (EG KESR) vom 25. Juni 2012 (LS 232.3) folgendermassen:

§ 4 Bestand und Zusammensetzung
1 In jedem Kreis besteht eine KESB mit mindestens drei Mitgliedern. Besteht eine KESB aus fünf oder mehr Mitgliedern, kann sie Abteilungen bilden.
2 Der KESB gehören zwingend Mitglieder mit Fachwissen in den Bereichen Recht und Soziale Arbeit an. Zusätzlich gehören der KESB Mitglieder an mit Fachwissen in den Bereichen Pädagogik, Psychologie, Gesundheit oder Treuhandwesen.
3 Zur Sicherstellung der Stellvertretung wird eine genügende Zahl von Ersatzmitgliedern ernannt, mindestens aber zwei. Als Ersatzmitglieder können auch die Mitglieder einer anderen KESB bezeichnet werden.

§ 5.Mindestpensen
Die Pensen der Mitglieder der KESB betragen mindestens
a. 80% für die Präsidentin oder den Präsidenten,
b. 50% für die übrigen Mitglieder.

§ 6 Voraussetzungen
1 Als Mitglieder der KESB können Schweizerinnen und Schweizer ernannt werden, die in der Schweiz Wohnsitz haben.
2 Die Mitglieder der KESB müssen einen Universitätsabschluss oder einen eidgenössisch anerkannten Ausbildungsabschluss auf Tertiärstufe in einem der Fachbereiche gemäss § 4 Abs. 2 sowie eine mehrjährige berufliche Tätigkeit in diesem Fachbereich nachweisen.
3 Diese Voraussetzungen gelten auch für die Ersatzmitglieder.

§ 9
1 Entscheidet die KESB als Kollegium, muss je ein Mitglied Besetzung aus dem Fachbereich Recht und dem Fachbereich Soziale Arbeit an der Entscheidung mitwirken.

Der Regierungsrat führte in seinem Antrag vom 31. August 2011 dazu Folgendes aus:

Um sowohl die Professionalität als auch die Interdisziplinarität der KESB sicherzustellen, verlangt das Gesetz von den Mitgliedern Fachwissen (vgl. § 4 Abs. 2). Die Mitglieder müssen einen Universitätsabschluss oder einen eidgenössisch anerkannten Abschluss auf Tertiärstufe in einem der Fachbereiche nachweisen. Abschlüsse auf Tertiärstufe sind neben Universitäts- und Fachhochschulabschlüssen (Tertiär A) auch Berufsprüfungen, höhere Fachprüfungen und Abschlüsse an höheren Fachschulen (Tertiär B; vgl. auch § 8 Abs. 4 Bildungsgesetz vom 1. Juli 2002 [BiG; LS 410.1]). Eidgenössisch anerkannte Ausbildungsabschlüsse auf Tertiärstufe sind gemäss dem Bundesgesetz vom 13. Dezember 2001 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz) die eidgenössischen Berufsprüfungen und die eidgenössischen höheren Fachprüfungen (Art. 42f. Berufsbildungsgesetz) und Abschlüsse von Fachhochschulen, die eidgenössisch anerkannte Bachelor- oder Masterdiplome vergeben dürfen (vgl. Art. 7 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über die Fach- hochschulen; Fachhochschulgesetz). Die Universitätsabschlüsse sind gesondert zu erwähnen, da sie grossmehrheitlich nur kantonal anerkannt sind.

Insbesondere bei den Fachbereichen Recht und Soziale Arbeit können entsprechende Abschlüsse nur an einer Universität oder einer Fachhochschule erlangt werden, weshalb Hochschulabschlüsse im Vordergrund stehen. Bei den übrigen Fachbereichen sind jedoch auch andere Abschlüsse auf Tertiärstufe als ausreichend zu erachten. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn die entsprechende Ausbildung eine geeignete Vorbereitung auf die spezifische Aufgabe als Mitglied einer KESB ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestellung der Mitglieder der KESB ein umsichtiges Vorgehen angezeigt ist: Es müssen Mitglieder ernannt werden, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und ihrer Persönlichkeit geeignet sind, diese äusserst verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen.

Hinsichtlich des teilweisen Verzichts auf die fachlichen Voraussetzungen für die Ernennung der Behördenmitglieder gemäss Abs. 2 während einer Übergangszeit von fünf Jahren ab Inkrafttreten des neuen Rechts kann auf § 77 und die entsprechenden Erläuterungen verwiesen werden.

Jeder KESB müssen zwingend Mitglieder angehören, die über ausreichendes Fachwissen in den Bereichen Recht und Soziale Arbeit verfügen. Für die korrekte Rechtsanwendung muss eine Juristin oder ein Jurist verantwortlich sein (vgl. § 9 Abs. 1). Im Bereich Recht bieten Fachhochschulen lediglich spezialisierte Abschlüsse in Teilbereichen (Wirtschaftsrecht) an, weshalb diesbezüglich vorab universitäre Abschlüsse infrage kommen. Dabei ist grundsätzlich von Personen auszugehen, die über einen entsprechenden Lizenziats- oder Masterabschluss verfügen. Kann eine ausreichende Berufserfahrung nachgewiesen werden, können auch Personen mit einem Bachelorabschluss den Anforderungen genügen. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass die KESB zahlreiche, zum Teil schwierige prozessuale Fragestellungen zu meistern hat, weshalb ein Bachelorabschluss, der nur Grundkenntnisse im Prozessrecht vermittelt, in aller Regel keine ausreichende Grundlage bietet. Das Mitglied, das die Kernkompetenz Soziale Arbeit innerhalb der KESB vertritt, muss in aller Regel über einen schweizerischen Hochschulabschluss in dieser Disziplin verfügen. Diese Anforderung erfüllen Lizenziats-, Bachelor- oder Masterabschlüsse von Universitäten, Bachelor- oder Masterabschlüsse von Fachhochschulen und altrechtliche Fachhochschuldiplome (Diplom FH). Da höhere Fachschulen (Diplom HF) keine umfassenden Ausbildungen in Sozialer Arbeit anbieten, kommen entsprechende Abschlüsse in diesem Bereich nicht infrage.

Neben den Kernkompetenzen Recht und Soziale Arbeit können Personen mit anderem Fachwissen Mitglieder der KESB sein. Das Gesetz nennt Pädagogik, Psychologie, Gesundheits- und Treuhandwesen. Diese weite Formulierung räumt den Ernennungsbehörden einen grossen Ermessensspielraum ein. Dazu ist festzuhalten, dass der Ausbildungsabschluss auf Tertiärstufe innerhalb der aufgezählten Fachbereiche einen hinreichend engen Zusammenhang mit den von der KESB zu behandelnden Geschäften aufweisen muss. Ausbildungsabschlüsse auf Tertiärstufe in Spezialgebieten – etwa diplomierte Dentalhygienikerin oder diplomierter Dentalhygieniker HF – können den Anforderungen von vornherein nicht genügen.

Im Vordergrund stehen bei den aufgezählten Fachbereichen die Pädagogik und die Psychologie. Diese Fachkompetenzen sollen vor allem die kompetente Beurteilung von Kinderbelangen in der KESB sicherstellen. Nachgewiesen werden können auch diese Kompetenzen vorab mit Lizenziats-, Bachelor- oder Masterabschlüssen einer schweizerischen Universität in der Disziplin Psychologie oder Pädagogik oder einem schweizerischen Fachhochschulabschluss in einer dieser Fachrichtungen (Diplom-FH, Bachelor oder Master). Insbesondere im (sozial)pädagogischen Bereich ist auch der Abschluss mit einem Diplom HF als genügend zu erachten, wenn die Person eine besondere Befähigung als Mitglied einer KESB aufweist. Im Bereich Gesundheit erfüllen Facharzttitel (FMH) für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, für Allgemeine Medizin oder Kindermedizin die geforderten Voraussetzungen selbstverständlich. Ebenfalls als genügend zu erachten wären im Fachbereich Gesundheit aber etwa auch Ausbildungsabschlüsse als diplomierte Pflegefachfrau bzw. diplomierter Pflegefachmann HF. Mit der neuen Formulierung ist es den Ernennungsbehörden zudem möglich, Behördenmitglieder zu ernennen, die über treuhänderische Fachkompetenzen verfügen. Unter diesem Titel wäre daher auch die Ernennung einer Notarin oder eines Notars zulässig. Da die entsprechenden Fachkompetenzen allerdings insbesondere bei der Führung der Beistandschaften gefragt sind und nur eine eher kleine Anzahl von Verfahren entsprechend spezialisierte Kompetenzen in der Behörde überhaupt notwendig macht (abgesehen davon, dass das entsprechende Fachwissen im Bedarfsfall extern abgerufen werden kann), wird diese Fachkompetenz wohl nur in grossen KESB im Spruchkörper vertreten sein, zumal das entsprechende Mitglied ebenfalls die Anforderungen an Mindestpensen gemäss § 5 erfüllen muss.

Schweizerischen Abschlüssen sollen gleichwertige ausländische Abschlüsse gleichgestellt sein.

Um das zureichende Fachwissen der Mitglieder der KESB sicherzustellen, müssen diese neben der vorausgesetzten Ausbildung auf Tertiärstufe über mehrjährige Berufserfahrung verfügen, die über ein blosses Praktikum hinausgeht. Zudem sollen sie eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen. Wie in der Vernehmlassung angeregt, soll bereits eine mehrjährige Berufserfahrung ausreichen. Darunter ist eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren zu verstehen. Nicht verlangt wird, dass sich die Berufserfahrung im jeweiligen Fachgebiet spezifisch auf den Kindes- und Erwachsenenschutz bezieht.

In Bezug auf die fachlichen Voraussetzungen gab es einzig einen Minderheitsantrag von den Kantonräten Heinz Kyburz (EDU), René Isler (SVP), Ursula Moor-Schwarz (SVP), Gregor Rutz (SVP) und Martin Zuber (SVP):

§ 6. Abs. 1 unverändert.
2 Die Mitglieder der KESB müssen einen Universitätsabschluss, einen eidgenössisch anerkannten Ausbildungsabschluss auf Tertiärstufe oder einen vom Kanton Zürich anerkannten Fachausweis in einem der Fachbereiche gemäss § 4 Abs. 2 sowie eine mehrjährige berufliche Tätigkeit in diesem Fachbereich nachweisen.
Abs. 3 unverändert.

Diese fünf Kantonsräte hatten das Ziel, dass weniger strenge Voraussetzungen an die fachlichen Voraussetzungen gestellt werden. Im Ergebnis würde dies zu einer Senkung des fachlichen Niveaus der KESB führen. Bemerkenswert ist, dass auch diese Kantonsräte den Grundsatz der Fachbehörde nicht infrage gestellt haben. Also kein Platz für reine Laien in der KESB.

Regierungrat Martin Graf führte im Kantonsrat dazu Folgende aus:

Ich bitte Sie namens der Regierung, diesen Minderheitsantrag abzulehnen. Es handelt sich ja um die Ausbildungsvoraussetzungen für die Mitglieder des Spruchkörpers, und diese haben eine verantwortungsvolle Aufgabe. Der Regierungsrat hat bei der Beratung der Vorlage für den Kantonsrat gegenüber der Vernehmlassungsvorlage relativ grosse Abstriche gemacht. Er hat nämlich die Ausbildungsvoraussetzungen geöffnet auf den ganzen Tertiärbereich. Also auch die Höheren Berufsprüfungen sind zugelassen. Und, René Isler, das ist unter meinem Verständnis nicht zwingend ein akademischer Abschluss oder das, was wir so landläufig als akademischen Abschluss verstehen. Wir sind seitens der Regierung genauso wie die STGK dezidiert der Meinung, dass hier das Ende der Fahnenstange ist, dass wir jetzt nicht noch mehr öffnen wollen gegenüber all diesen CAS- und DAS-Abschlüssen (Certificate of Advanced Studies, Diploma of Advanced Studies), die relativ heterogen sind, die sehr weit gehen. Praktisch jeder kann da plötzlich Mitglied des Spruchkörpers werden. Ich denke, wir würden hier Tür und Tor öffnen. Wir sind sehr grosszügig gewesen in der Regierung. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag der STGK-Mehrheit zuzustimmen und den Minderheitsantrag abzulehnen. Danke.

Der Minderheitsantrag wurde mit 93:64 Stimmen abgelehnt. In der Folge wurde das EG KESR mit 165 Ja gegen 4 Nein angenommen.

KESB und die Stunde der Populisten

Kaum hat die KESB ihre Arbeit aufgenommen, steht sie schon von vielen Seiten unter Beschuss. Das beginnt mit den Gemeinden bzw. deren Politikern, die es nicht vertragen haben, dass sie Macht haben abgeben müssen. Weiter zeigen Privatpersonen auf die KESB, weil sie von Massnahmen der KESB betroffen sind. Der KESB Willkür vorzuwerfen ist eben einfacher, als eigene Fehler einzugestehen. Medien machen mit angeblichen Skandalen Auflage. Und schliesslich gibt es Politiker, welche die Stimmung aufgreifen, um ihr eigenes politisches Süppchen kochen und sich in Szene setzen zu können. Die KESB ist somit der ideale Sündenbock, wo man seine Frustrationen abladen kann, der Punchingball, auf den man einschlagen kann. Man projiziert all das Schlechte auf dieser Welt auf die KESB, als ob die KESB die Ursache davon wäre. Dem entsprechend ist die öffentliche Diskussion um die KESB von Vorurteilen, Halbwissen, Ignoranz, Selbstgerechtigkeit und Unsachlichkeit geprägt. Es werden Fälle instrumentalisiert, um gegen die KESB Stimmung zu machen. Da jedoch niemand Akteneinsicht hat, ist es unseriös, anhand dieser Fälle die KESB in fundamentaler Weise zu kritisieren. Die Wahrheit sieht eben meist etwas anders aus, als sie in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Im Kantonsrat sind aktuell verschiedene Vorstösse zur KESB hängig. Namentlich reichten die beiden SVP-Kantonsrätinnen Ruth Frei und Barbara Steinemann am 3. November 2014 eine parlamentarische Initiative mit dem Titel „Anforderungsprofil für KESB-Mitglieder“ (KR-Nr. 288/2014) ein. Diese parlamentarische Initiative ist bis zum heutigen Tag noch nicht durch den Kantonsrat behandelt worden.

Die beiden Initiantinnen forderten folgende Gesetzesänderung:

§ 6 EG KESR
Abs. 1 (unverändert)
Abs.2
Die Mitglieder der KESB bestehen zum einen Teil aus Personen, welche entweder einen Universitätsabschluss oder einen eidgenössisch anerkannten Ausbildungsabschluss auf Tertiärstufe in einem der Fachbereiche gemäss § 4 Abs. 2 sowie eine mehrjährige berufliche Tätigkeit in diesem Fachbereich nachweisen können. Zum anderen Teil bestehen sie aus Personen, welche aufgrund ihrer Lebenserfahrung für dieses Amt geeignet sind.

Abs. 3 (unverändert)

Mit folgender Begründung:

Durch die Einführung der KESB am 1. Januar 2013 wurden die vom kommunalen Souverän gewählten Laien ohne einschlägige fachliche Ausbildung ausschliesslich durch selbsternannte «Profis» und Experten ersetzt. Seither kommt die Institution nicht mehr aus dem Negativschlagzeilen heraus.

Mindestens ein Mitglied der KESB benötigt Fähigkeiten, die nicht auf einer Universität erlernt werden können, wie zum Beispiel Empathie, Pragmatismus, soziale Kompetenzen, Strategien zur Alltagsbewältigung, Erfahrung in der Kindererziehung, psychologisches Geschick, Umgang mit Betagten, aber auch Kostenbewusstsein. Diese Kompetenzen können am besten durch praktische Lebenserfahrung angeeignet werden. Oft erreichen gerade die altbewährten Laien mit solchen Kompetenzen mehr als Fachleute. Diese braucht es auch und sollten dann eingesetzt werden, wenn juristische Detailkenntnisse gefragt sind.

Mit einer gesunden Mischung von Fachleuten mit oben genannter Ausbildung und jenen Milizpersonen, welche bis zum 31. Dezember 2012 über Jahrzehnte ohne jegliche Zwischenfälle das Vormundschaftswesen geführt haben, sollten zum einen eine umfassende Betreuung der Betroffenen gewährleistet, zum anderen die bundesrechtlichen Vorgaben eingehalten werden können.

Die parlamentarische Initiative der beiden Kantonsrätinnen zeugt mehr von politischem Aktionismus denn von Intelligenz und rechtlichem Sachverstand, da ihr Vorschlag offensichtlich bundesrechtswidrig (Art. 49 BV) ist. In einer Fachbehörde haben Laien keinen Platz. Praktische Lebenserfahrung kann eine solide Ausbildung nicht ersetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass nicht definiert werden kann, was unter praktischer Lebenserfahrung zu verstehen ist.

Meines Erachtens wird in der politischen Diskussion ein künstlicher Gegensatz zwischen Fach- und Laienbehörden geschaffen. Zudem wird der Eindruck vermittelt, dass früher, unter dem Regime der Vormundschaftsbehörden, alles besser gewesen sei, was natürlich nicht so gewesen ist. Die Behörden, ob Vormundschaftsbehörde oder KESB, müssen sich mit den genau gleichen Problemen herumschlagen. Wenn man mit diesen Behörden praktisch zu tun hat, sind die Unterschiede nicht so gross. Man muss wissen, dass bereits früher jede grössere Vormundschaftsbehörde Juristen angestellt hatte, welche die Fälle für die Behördenmitglieder vorbereitet haben. Zudem konnte der Präsident der Vormundschaftsbehörde Fälle mit zeitlicher Dringlichkeit, namentlich bei Obhutsentzügen, mit Präsidialkompetenz unter Umgehung der Vormundschaftsbehörde entscheiden. Das heisst, dass der juristische Vormundschaftsschaftsekretär faktisch einen grossen Einfluss auf die Entscheide der Vormundschaftsbehörde hatte. In kleinen Gemeinden dagegen, in denen keine Juristen angestellt waren, waren denn auch manche Entscheide etwas handgestrickt und hemdsärmlig begründet, weshalb sich die Betroffenen an den Bezirksrat wenden mussten. Somit waren bereits früher reine Laienbehörden eher die Ausnahme als die Regel.

Der Kindes- und Erwachsenenschutz ist keine einfache Materie, zumal involvierte Personen von Entscheiden der KESB sehr direkt und schwerwiegend betroffen sein können. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Behörden über Fachwissen verfügen, damit nicht sachfremde Argumente in ihre Ermessensentscheide einfliessen. Der Sachverstand der Behördenmitglieder garantiert denn auch ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren. Und das ist genau das Gegenteil von Willkür, was der KESB gerne salopp vorgeworfen wird. Entscheide der KESB kann man natürlich sachlich diskutieren und man kann auch anderer Meinung sein. Das liegt im Wesen von Ermessensentscheiden. Die KESB ist nun aber einmal da, um nach bestem Wissen und Gewissen Entscheide zu fällen. Aber nur weil man mit einem Entscheid der KESB nicht zufrieden ist, heisst das noch lange nicht, dass dieser willkürlich ist. Willkürlich ist ein Entscheid erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist. Und da wir in einem Rechtsstaat leben, stehen den Betroffenen Rechtsmittel gegen Entscheide der KESB zur Verfügung, was eine Überprüfung dieser Entscheide ermöglicht.

Update 2.12.2015

Am 26. Oktober 2015 wurde die Parlamentarische Initiative vom Kantonsrat behandelt. Da nur 56 Kantonsräte die Parlamentarische Initiative unterstützten, wurde das notwendige Quorum von 60 Stimmen für die vorläufige Unterstützung verfehlt.

Die Debatte im Kantonsrat verlief entlang der bekannten ideologischen Gräben. Immerhin haben einzelne Kantonsräte erkannt, dass die Parlamentarische Initiative im Widerspruch zum Bundesrecht steht.

Marin Farner (FDP):
Wie bei verschiedenen anderen Vorstössen, die wir auch noch zu bearbeiten haben, müssen wir festhalten, dass der kantonale Gesetzgeber das ZGB nicht ändern kann. Das kann nur das eidgenössische Parlament, und da zähle ich auf die frisch gewählten Nationalrätinnen und Nationalräte, dass hier schnell der Hebel angesetzt wird. Wir tun gut daran, unseren Ratsbetrieb zurzeit nicht mit Geschäften ausserhalb unserer Zuständigkeit und Kompetenz zu belasten. Wir werden diese PI nicht vorläufig unterstützen.

Markus Bischoff (AL):
Und dann finden Sie ja die Vormundschaftsbehörden seien viel besser gewesen. Das ist die andere Platte die Sie immer abspielen: Früher war alles besser. Aber wir wissen ja alle, dass es überhaupt nicht besser war mit diesen Vormundschaftsbehörden, mit irgendwelchen Laien, die keine Ahnung hatten und gefunden haben sie können da noch ein Sitzungsgeld bekommen, wenn sie in dieser Behörde sind. Denken Sie an den «Fall Bonstetten» (Tötungsdelikt), da war ja auch eine Vormundschaftsbehörde involviert. Das ist alles nicht so rund gelaufen.

Wir haben das Bundesrecht, das uns eine Fachbehörde vorschreibt. Und wie schon mehrfach ausgeführt wurde, auch gebildete Leute haben positive menschliche Eigenschaften. Das heisst nicht, dass sie pe se die besseren Menschen sind, aber auch nicht unbedingt die schlechteren. Wir werden diese PI nicht unterstützen.