Ein Schüler schaffte die Aufnahmeprüfung für die Kantonsschule nicht, da sein Deutschaufsatz mit der Note 2 bewertet worden war, weil er das Thema verfehlt habe. Die Eltern des Schülers fochten diesen Entscheid beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich an.
Im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2016 (VB.2016.00361) finden sich folgende Erwägungen:
4.2 C wählte für den Deutschaufsatz folgende Aufgabenstellung:
„1 Der alte Hut
In einer verstaubten Schachtel auf dem Dachboden liegt ein alter Hut. Erzähle eine Geschichte zu diesem Hut. Aus dem Text soll hervorgehen, was für eine Bedeutung dieser Hut früher hatte und warum er Jahre später noch auf dem Dachboden aufbewahrt wird.“
Er verfasste dazu eine Geschichte in der Form eines Märchens. Die Geschichte handelt vom jungen Zauberer Merlin, dem eines Nachts die Grossmutter im Traum erscheint und ihn bittet, einen Hut unter einem Baum auszugraben und ihr zu bringen. Die Geschichte endet damit, dass Merlin den Hut der Grossmutter bringt und diese ihm erklärt, der Hut habe heilende Kräfte. Aus dem Text geht nicht hervor, dass der Hut Jahre später noch auf dem Dachboden aufbewahrt wird. Die Beschwerdegegnerin vergab dafür die Note 2,0.
4.3 Die Beschwerdeführenden rügen, die Beschwerdegegnerin habe dem Bewertungskriterium „den Text auf das Thema und die Aufgabenstellung ausrichten“ im Vergleich zu den weiteren Kriterien gemäss Anschlussprogramm ein zu starkes Gewicht beigemessen. Die Beschwerdegegnerin führte im Rekursverfahren hierzu aus, dass dieses Kriterium „von überragender Wichtigkeit“ bei der Benotung der Aufsätze sei. Werde dieses schlecht oder nicht erfüllt, verlören sämtliche anderen Kriterien „massiv an Gewicht“. Der Aufsatz von C verletze dieses zentrale Kriterium klar, weil in seinem Text sowohl die verstaubte Schachtel als auch der Dachboden und also auch eine logische Begründung dafür fehlten, warum der Hut sich noch Jahre später auf dem Dachboden befinde. Damit liege auch nur eine Zeitebene vor, weshalb sich nicht prüfen lasse, ob C die beiden Zeitebenen auseinanderhalten könne. C habe „den an ihn gestellten Auftrag in so hohem Masse nicht erfüllt, dass sein Werk sozusagen (zumindest teilweise) aus dem Kriterienraster hinausfällt“. Die Deutschlehrperson führt in ihrer Stellungnahme zum Aufsatz von C aus, es komme in diesem Text weder eine Schachtel noch der Dachboden vor; es werde „einfach ein Märchen erzählt, das überhaupt gar nichts mit der Aufgabenstellung zu tun hat. Am Gymnasium geht es nicht so sehr darum, Geschichten erzählen zu können, sondern Aufgabenstellungen zu erfassen und umzusetzen. Dieser Aufsatz ist einfach eine ins Blaue erzählte Geschichte, die in keiner Weise mit der Aufgabenstellung irgendetwas gemeinsam hat. Das Thema wurde bewusst so gestellt, dass eben kein Märchen erzählt werden sollte, und wenn, dann müsste man den Hut auf dem Dachboden entsprechend begründen. […] Notenabzug gibt es jeweils, wenn man die Aufgabenstellung nicht genau verstanden hat, wenn man vom Thema abgewichen ist oder in eine falsche Richtung läuft. Dabei muss jedoch das Grundthema wenigstens ansatzweise erfasst werden. Dieser Text jedoch ist ein reiner Phantasietext und das einzige, das berücksichtigt wurde, war der Titel.“
4.4 Dem Anschlussprogramm lässt sich nicht entnehmen, nach welchen Gesichtspunkten die einzelnen Bewertungskriterien zu gewichten sind. Mit Aufsätzen soll in erster Linie geprüft werden, ob die Kandidierenden einen Text zu einem bestimmten Thema verfassen können. Es erscheint deshalb nicht sachfremd, bei Aufsätzen die Benotung massgeblich davon abhängig zu machen, ob die jeweilige Aufgabenstellung erfüllt wurde. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn Kandidierenden, welche die Aufgabenstellung völlig ausser Acht lassen, unabhängig von der Qualität ihres Textes eine ungenügende Note vergeben wird.
4.5 In diesem Sinn begründet die Beschwerdegegnerin die Benotung vorliegend damit, dass C sich nicht einmal ansatzweise an die Aufgabenstellung gehalten habe. Dieser Vorwurf überzeugt indes nicht. Zunächst sollten die Kandidierenden gemäss Aufgabenstellung ausdrücklich „eine Geschichte“ zum alten Hut verfassen; weshalb die Geschichte nicht in die Form eines Märchens hätte gekleidet werden dürfen, legt die Beschwerdegegnerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Es ist damit auch nicht nachvollziehbar, inwiefern mit dieser Aufgabenstellung Geschichten in Form eines Märchens hätten verhindert werden sollen. Sodann ist C zwar vom vorgegebenen Thema erheblich abgewichen; der sinngemässe Vorwurf, seine Geschichte erfasse das Grundthema nicht einmal ansatzweise, ist indes unberechtigt. Verlangt war eine Geschichte zu einem Hut. Die Kandidierenden mussten dartun, welche Bedeutung dieser Hut früher hatte und weshalb er noch Jahre später auf dem Dachboden aufbewahrt wird. Im Text von C spielt ein Hut eine zentrale Rolle; welche Bedeutung der Hut hat, geht aus der Geschichte ohne Weiteres hervor. Hätte er die Geschichte beispielsweise damit beendet, dass die Grossmutter den Hut anschliessend in einer Schachtel auf dem Dachboden verstaut habe und jener danach dort vergessen gegangen sei, hätte C die Aufgabenstellung – jedenfalls formal – sogar vollständig erfüllt. Die Herangehensweise von C mag etwas unkonventionell gewesen sein und deshalb erheblich von derjenigen der anderen Kandidierenden abweichen; daraus lässt sich indes nicht schliessen, er habe die Aufgabenstellung vollständig missachtet. Auch wenn C von der Aufgabenstellung abwich, ist der Vorwurf, er habe das Aufsatzthema vollständig verfehlt, demnach nicht haltbar und damit willkürlich. Die Benotung des Aufsatzes erweist sich schon deshalb als rechtswidrig. Im Übrigen hält auch die Beschwerdegegnerin fest, C habe die weiteren Bewertungskriterien „zu einem hohen Grad erfüllt“.
4.6 Schon weil das Verwaltungsgericht dafür nicht über die notwendige Fachkompetenz verfügt, kann es die Note für den Aufsatz von C nicht selber neu festlegen. Die Angelegenheit ist vielmehr an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese die Benotung des Aufsatzes von C neu vornehme und anschliessend neu darüber entscheide, ob C die Aufnahmeprüfung bestanden habe. Dabei wird sie nach dem Gesagten zu berücksichtigen haben, dass C zwar in erheblicher Weise, aber nicht vollständig von der Aufgabenstellung abgewichen ist.
5. Nach dem Gesagten sind Dispositiv-Ziff. I des Rekursentscheids vom 6. Juni 2016 sowie die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 17. März 2016 aufzuheben und ist die Angelegenheit im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. (…)
Der Schüler hatte Glück und ist auf mild gestimmte Verwaltungsrichter gestossen, denn normalerweise haben Prüfungsrekurse keine grossen Erfolgsaussichten. Somit dürfte der Schüler die geforderte Note 3 erhalten und die Gymiprüfung bestehen.
Was man aus diesem Fall lernen kann, ist, dass die Lektüre von Fantasyromanen wie J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“ nicht unbedingt die beste Gymiprüfungsvorbereitung ist. Ich würde dem Schüler empfehlen, ein paar Kurzgeschichten von Franz Hohler (z.B. „Das Halstuch“) zu lesen.