Die fehlende Anwaltsvollmacht

Die Zivilprozessordung sieht Folgendes vor:

Art. 68 Vertragliche Vertretung
(…)
3 Die Vertreterin oder der Vertreter hat sich durch eine Vollmacht auszuweisen.

Art. 132 Mangelhafte, querulatorische und rechtsmissbräuchliche Eingaben
1 Mängel wie fehlende Unterschrift und fehlende Vollmacht sind innert einer gerichtlichen Nachfrist zu verbessern. Andernfalls gilt die Eingabe als nicht erfolgt.
(…)

In weiteren Gesetzen finden sich im Übrigen analoge Bestimmungen (z.B. Art. 40 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 5 BGG, Art. 11 Abs. 2 VwVG). Gemäss Art. 129 Abs. 2 StPO setzt die Wahlverteidigung eine schriftliche Vollmacht oder eine protokollierte Erklärung der beschuldigten Person voraus.

Das Bundesgericht ging im Urteil vom 22. September 2016 (5A_561/2016) von folgenden Sachverhalt aus:

A. A. und B. sind Parteien eines Eheschutzverfahrens. Am 18. März 2016 fällte das Bezirksgericht Bülach das Eheschutzurteil.

Dagegen erhob A. am 25. April 2016 im Unterhaltspunkt Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Die Berufungsschrift wurde von Rechtsanwältin G. M. verfasst und unterzeichnet.

Mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2016 forderte das Obergericht A. und Rechtsanwältin M. auf, innert einer Nachfrist von zehn Tagen eine das Eheschutzverfahren betreffende Originalvollmacht einzureichen, unter der Androhung, dass bei Säumnis die Eingabe vom 25. April 2016 nicht als erfolgt gelte. Gleichzeitig wurde A. eine Frist von zehn Tagen zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 4’000.– angesetzt. Diese Verfügung wurde sowohl A. persönlich als auch Rechtsanwältin M. zugestellt.

Binnen Frist wurde der Kostenvorschuss bezahlt. Die geforderte Vollmacht wurde hingegen nicht eingereicht.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2016 trat das Obergericht auf die Berufung nicht ein.

B. Am 27. Juli 2016 hat A. (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, auf die Berufung einzutreten, allenfalls unter Ansetzung einer Nachfrist zur Einreichung einer Originalvollmacht betreffend Eheschutz. (…)

Das Bundesgericht erwog unter anderem Folgendes:

2. Das Obergericht hat erwogen, die Vertreterin müsse sich gemäss Art. 68 Abs. 3 ZPO durch eine Vollmacht ausweisen. An die Spezifizierung einer Prozessvollmacht seien wegen ihrer Tragweite strenge Anforderungen zu stellen. Wie bereits in der Verfügung vom 10. Mai 2016 festgehalten, befinde sich bei den bezirksgerichtlichen Akten für Rechtsanwältin M. lediglich eine Vollmacht betreffend Ehescheidung, nicht aber betreffend das vorliegende Eheschutzverfahren. Aus dem Auftragsverhältnis und der Vollmacht für die Ehescheidung könne nicht auf eine solche für das Eheschutzverfahren geschlossen werden. Somit genüge die in den Akten liegende Vollmacht für das vorliegende Verfahren nicht. Das Obergericht hat sich dabei insbesondere auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 42 Abs. 5 BGG gestützt (mit Hinweis auf Urteile 9C_793/2013 vom 27. März 2014 E. 1.2; 9C_977/2009 vom 17. Dezember 2009; 1F_35/2014 vom 1. Oktober 2014 E. 2) und erwogen, diese Rechtsprechung gelte auch für Art. 132 Abs. 1 ZPO.

Da der Kostenvorschuss bezahlt worden sei, frage sich jedoch, ob die Berufungsschrift nachträglich genehmigt worden sei. Die in der Lehre vertretene Meinung, wonach der Mangel einer fehlenden Vollmacht implizit (durch Bezahlen des Prozesskostenvorschusses) geheilt werden könne, überzeuge nicht. Zwar berufe sich diese Lehrmeinung auf ein Urteil des Bundesgerichts (Urteil 4P.184/2003 vom 2. Februar 2004E. 2.1). Dieses Urteil habe sich jedoch auf kantonales Prozessrecht bezogen und sei im Rahmen einer Willkürprüfung ergangen, wobei das Bundesgericht nicht gesagt habe, dass die auf kantonalem Prozessrecht basierende Annahme richtig sei. Schliesslich habe aber das Obergericht – anders als das kantonale Gericht im genannten Bundesgerichtsurteil – mit der Verfügung vom 10. Mai 2016 ausdrücklich eine das Eheschutzverfahren betreffende Vollmacht verlangt. Damit habe es klar ausgedrückt, keine implizite Genehmigung zu akzeptieren, sondern zu Beweissicherungszwecken die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht gefordert. Mit dem Bezahlen des Kostenvorschusses habe damit die Berufung nicht implizit genehmigt und der Mangel einer fehlenden Vollmacht nicht geheilt werden können. Auf die Berufung sei deshalb nicht einzutreten.

3.3. Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit Art. 40 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 5 BGG festgehalten, dass das Gericht bei älteren oder unbestimmt formulierten Vertretungsvollmachten jederzeit die Nachreichung einer aktualisierten oder verfahrensspezifischen Vollmacht verlangen kann, ohne dass darin überspitzter Formalismus zu erblicken wäre (Urteil 9C_793/2013 vom 27. März 2014 E. 1.2 mit Hinweisen). Es ist nicht willkürlich, diese Rechtsprechung auf die ähnlich formulierten und analogen Zwecken dienenden Art. 68 Abs. 3 und Art. 132 Abs. 1 ZPO zu übertragen. Diese Rechtsprechung muss auch dann gelten, wenn zwar eine Vollmacht eingereicht wurde, sich diese aber auf ein anderes Verfahren als das vorliegend geführte bezieht. Gerade dies ist der Umstand, der Zweifel an der Gültigkeit der Vollmacht für das geführte Verfahren erweckt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das Obergericht nicht in überspitzten Formalismus oder in Willkür verfallen, indem es insoweit das Eheschutz- und das Scheidungsverfahren nicht als identisch erachtet hat. Es trifft zwar zu, dass diese beiden Verfahren häufig aufeinander folgen. Dies ändert aber nichts daran, dass sie nicht notwendig miteinander verknüpft sind und das Eheschutzverfahren nicht dasselbe wie das Scheidungsverfahren ist. Wenn das Obergericht die Vollmacht demnach nicht so ausgelegt hat, dass durch sie auch das Eheschutzverfahren abgedeckt wird, ist dies keineswegs willkürlich oder überspitzt formalistisch. Dass das Bezirksgericht die Vollmacht nicht beanstandet hat, bindet das Obergericht nicht. Da das Obergericht ausdrücklich eine neue und spezifische Vollmacht verlangt hat, durfte der Beschwerdeführer sodann nicht darauf vertrauen, das Obergericht werde die alte Vollmacht akzeptieren. Daran ändert die Bezahlung des Kostenvorschusses nichts. Das Obergericht hat dargelegt, dass es mit seiner Verfügung vom 10. Mai 2016 eine implizite Genehmigung ausgeschlossen hat und dass die verlangte Vorlage einer schriftlichen Vollmacht Beweissicherungszwecken dient. Indem vom Beschwerdeführer eine schriftliche Vollmacht verlangt wird, wird ihm der Rechtsweg nicht unzulässig versperrt. Es bedeutet keinen grossen Aufwand, der entsprechenden Aufforderung nachzukommen, die im Übrigen auch dem Schutz der – angeblich vertretenen – Partei dient. Inwiefern das Obergericht Bestimmungen der ZPO willkürlich angewandt hätte, indem es durch sein Vorgehen eine nachträgliche Genehmigung durch konkludentes Handeln (Bezahlung des Kostenvorschusses) ausgeschlossen hat, legt der Beschwerdeführer nicht im Einzelnen dar. Dies ist auch nicht ersichtlich. Wäre das Vorgehen des Obergerichts willkürlich, würde dies darauf hinauslaufen, dass die Gerichte zwar schriftliche Vollmachten verlangen dürften, die Nichteinhaltung der entsprechenden Aufforderung aber ohne Konsequenzen bliebe, sofern nur sonst eine als Genehmigung des bisherigen Vertreterhandelns deutbare Handlung der betreffenden Partei vorläge. Streitigkeiten darüber, was als Genehmigung gelten kann, wären zu erwarten. Im Ergebnis läge es somit im Belieben der Partei, ob sie eine Vollmacht einreicht und ob sie sich an die Anordnungen des Instruktionsrichters halten will, womit Art. 132 Abs. 1 ZPO seines Gehalts entleert würde (Urteil 9F_7/2013 vom 27. November 2013 E. 3.2.2). Solches wäre nicht nur der Rechtssicherheit abträglich, sondern würde auch die Autonomie der Gerichte bei der Verfahrensführung und -dokumentation beeinträchtigen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war somit die Androhung der Säumnisfolge durch das Obergericht nicht unverhältnismässig.

Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.

Das Verhalten der Rechtsanwältin ist unverständlich und nicht nachvollziehbar. Da ihr vom Obergericht eine Frist angesetzt worden ist, um einen Kostenvorschuss zu leisten und eine Originalvollmacht einzureichen, ist klar, was sie zu tun hat. Der Kostenvorschuss wurde denn auch bezahlt. Warum jedoch nicht eine neue Vollmacht eingereicht worden ist, ist unklar. Wenn die Anwältin dies zu verantworten hat, wovon man ausgehen muss, fragt sich deshalb, ob sie ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft ausgeübt hat (Art. 12 Bst. a BGFA). Offensichtlich nicht, weshalb der Mandant gegen seine Anwältin Haftungsansprüche geltend machen kann. In der Regel prüft die Berufshaftpflichtversicherung die Haftungsvoraussetzungen, namentlich, ob ein Schaden vorliegt. Dabei sind die Prozesschancen der aus formellen Gründen gescheiterten Berufung zu würdigen.