Obergericht rügt Friedensrichter

Das Obergericht stellte einem Urteil vom 19. April 2016 (RU160021) folgenden Leitsatz voran:

Art. 137 ZPO, Zustellung bei Vertretung.
Hat eine Partei eine Vertretung bezeichnet, dürfen Zustellungen, welche eine Frist auslösen können, nicht auch an sie persönlich gehen (E 2.1)

Die Bestimmung der Zivilprozessordnung lautet folgendermassen:

4. Abschnitt: Gerichtliche Zustellung
Art. 137 Bei Vertretung
Ist eine Partei vertreten, so erfolgt die Zustellung an die Vertretung.

Das Obergericht führte Folgendes aus:

1. (…) Dieses Urteil stellte der Friedensrichter sowohl B. als auch seinem Anwalt zu. Dieser nahm es von der Post am 7. April 2016 entgegen, jener am 5. April 2016 (…).

2.1 Vor jeder weiteren Erwägung sei angemerkt, dass Zustellungen mit gutem Grund nur an die Vertretung erfolgen sollen, wo eine solche bestellt ist (Art. 137 ZPO). Warum das so wichtig ist, lässt sich hier zeigen: der Beklagte nahm das Urteil nicht am selben Tag in Empfang wie sein Anwalt. Die Frist zur Beschwerde beträgt 30 Tage und wird „von der Zustellung an gerechnet“ (Art. 321 Abs. 1 ZPO; Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid). Welche der beiden Zustellungen massgeblich sein soll, lässt sich nicht entscheiden und ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es spielt hier keine Rolle, weil die Frist so oder so gewahrt ist. Der Friedensrichter wird aber darauf achten müssen, künftig pro Partei nur eine Zustellung vorzunehmen.

Selbst wenn Friedensrichter in der Regel Laien sind, müssen auch diese die Zivilprozessordung sehr gut kennen. Dass im vorliegenden Fall der Friedensrichter die Regeln betreffend die gerichtliche Zustellung nicht kennt, ist doch sehr erstaunlich, um nicht zu sagen peinlich, zumal es vom Friedensrichterverband ein Handbuch für Friedensrichter und es zudem genügend Vorlagen gibt.

Dieser Fall ist auch darum speziell, da der Friedensrichter wegen des tiefen Streitwerts (weniger als 2‘000 Fr.) und dem Antrag der Klägerin in der Sache selbst ein Urteil hat fällen müssen (Art. 212 Abs. 1 ZPO). Auch dieser Umstand zeigt, dass ein Friedensrichter über einiges rechtliches Know-how verfügen muss. Ansonsten kann es peinlich werden, was ich bereits im Beitrag „Der unfähige Friedensrichter“ beschrieben habe.