KESB: Die Krux mit den Grosseltern

Am 1. Januar 2015 brachte eine schwer persönlichkeitsgestörte Mutter in Flaach ihre zweijährige Tochter und ihren fünfjährigen Sohn um, weil sie diese nach den Festtagen wieder ins Heim zurückbringen musste. Den Kindeseltern war die Obhut vorläufig entzogen worden, weil diese im November 2014 wegen Betrügereien verhaftet worden waren und die KESB in der Folge die familiären Verhältnisse genauer abklären wollte, zumal bereits vorgängig eine Gefährdungsmeldung der Schulleitung vorgelegen war. In der Öffentlichkeit wurde die Frage aufgeworfen, warum die Kinder nicht bei den Grosseltern platziert worden waren.

Das Bundesgericht beschäftigte sich im Urteil vom 16. Januar 2017 (5A_402/2016) mit einem ähnlich gelagerten Fall. Die KESB entzog den Kindeseltern die Obhut über den kürzlich geborenen Sohn, weil es ihnen an der notwendigen Erziehungsfähigkeit fehlte, und platzierte diesen bei einer Pflegefamilie. Die Kindeseltern anerkannten, dass sie im Moment nicht in der Lage sind, das Kind selbstständig zu betreuen. Die Kindeseltern beantragten jedoch, dass der Sohn bei der Grossmutter mütterlichseits untergebracht werde. Dort wollten auch die Kindeseltern leben.

A. A.A. und B.A. sind die verheirateten Eltern des 2015 geborenen C.A. Infolge kognitiver Einschränkungen besteht für A.A. eine Begleit- und Vertretungsbeistandschaft, für B.A. eine Vertretungsbeistandschaft.

Am 12. November 2015 richtete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U. für das noch ungeborene Kind eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB ein. Ausserdem holte die KESB ein kinderpsychiatrisches Gutachten über die Erziehungs- und Betreuungsfähigkeit der Eltern ein (Expertise des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes vom 19. Januar 2016).

Die KESB beschloss mit Entscheid vom 27. Januar 2016, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind zu entziehen und C.A. in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie unterzubringen. Die Verwaltung des Kindeseinkommens und -vermögens wurde auf die Beistandsperson übertragen. Die Beistandschaft nach Art. 308 ZGB sei mit folgenden Aufgaben weiterzuführen (Ziff. 4):

a) die Eltern in ihrer Sorge um C.A. mit Rat und Tat zu unterstützen;

b) die physische und psychische Gesundheit sowie die altersadäquate Entwicklung von C.A. zu überwachen und nötigenfalls die dafür erforderlichen Massnahmen aufzugleisen;

c) die Unterbringung von C.A. in der Pflegefamilie D. zu begleiten und zu überwachen;

d) den Umfang des persönlichen Verkehrs zwischen den Eltern und C.A. gemäss dem kinderpsychiatrischen Gutachten vom 19. Januar 2016 zu organisieren, die Modalitäten festzulegen und deren Ausübung zu überwachen;

e) die Kommunikation zwischen den Eltern und der Pflegefamilie bezüglich aller Belange, die C.A. betreffen, zu fördern und bei Konflikten zu vermitteln;

f) als Ansprechperson der Eltern, der Pflegefamilie sowie der weiteren involvierten Fachpersonen zu fungieren, an Standortgesprächen teilzunehmen und nötigenfalls die Koordinationsfunktion zu übernehmen.

B. A.A. und B.A. erhoben gegen den Entscheid vom 27. Januar 2016 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Thurgau. Sie beantragten, die Unterbringung von C.A. in der Pflegefamilie sei aufzuheben. Das Kind sei bei E., der Grossmutter mütterlicherseits, unterzubringen. Zudem beantragten sie, in Abänderung der Ziff. 4 lit. c-f des Entscheids der KESB vom 27. Januar 2016 sei die Unterbringung von C.A. bei der Pflegemutter zu begleiten und zu überwachen, das Zusammenwohnen der Eltern bei der Pflegemutter und C.A. zu überwachen (eventuell: das Zusammenwohnen der Kindsmutter mit der Pflegemutter und C.A. zu überwachen sowie den Umfang des persönlichen Verkehrs zwischen dem Kindsvater und C.A. zu organisieren und die Modalitäten festzulegen), die Kommunikation zwischen den Eltern und der Pflegemutter bezüglich aller Belange, die C.A. betreffen, zu fördern und bei Konflikten zu vermitteln, als Ansprechperson der Eltern, der Pflegemutter sowie weiterer involvierter Fachpersonen zu fungieren, an Standortgesprächen teilzunehmen und nötigenfalls die Koordinationsfunktion zu übernehmen.

Das Obergericht wies die Beschwerde ab (Urteil vom 6. April 2016).

C. A.A. und B.A. reichten am 25. Mai 2016 Beschwerde in Zivilsachen ein. Sie erneuern die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren und ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege. (…)

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde teilweise gut und begründete dies folgendermassen:

3. Kann der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden, so hat die Kindesschutzbehörde es den Eltern oder, wenn es sich bei Dritten befindet, diesen wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen (Art. 310 Abs. 1 ZGB). Diese Kindesschutzmassnahme hat zur Folge, dass das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, den Eltern bzw. einem Elternteil entzogen und der Kindesschutzbehörde übertragen wird, die nunmehr für die Betreuung des Kindes verantwortlich ist (Urteil 5A_335/2012 vom 21. Juni 2012 E. 3.1 mit Hinweisen). Eine Gefährdung des Kindes gibt Anlass zum Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn das Kind im Umfeld der Eltern bzw. des Elternteils nicht so geschützt und gefördert wird, wie es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung nötig wäre. Die Entziehung des Rechts, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, ist nur zulässig, wenn andere Massnahmen, namentlich solche nach Art. 307 und Art. 308 ZGB, ohne Erfolg geblieben sind oder von vornherein als ungenügend erscheinen, um der Gefährdung des Kindes zu begegnen (Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität; Urteil 5A_724/2015 vom 2. Juni 2016 E. 6.3 mit Hinweisen).

4.1. Die KESB begründete die Fremdplatzierung des 2015 geborenen Sohnes der Beschwerdeführer in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie mit der mangelnden Erziehungsfähigkeit seiner Eltern. Das Obergericht bestätigte diesen Beschluss. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sie derzeit ausserstande sind, das Kind selbständig zu betreuen. Sie machen jedoch geltend, ihre Defizite in der Betreuungs- und Erziehungsfähigkeit erforderten keine Trennung von ihrem Kind. Die Mutter der Beschwerdeführerin, E., verfüge über die persönlichen und räumlichen Voraussetzungen, um die Pflege ihres Enkels zu übernehmen und ihre Tochter und ihren Schwiegersohn, allenfalls auch nur die Tochter, samt Kind bei sich aufzunehmen: E. sei ausgebildete Fachfrau Gesundheit; sie habe ihr Arbeitspensum im Frühjahr 2016 auf 50 % reduziert. Sie bewohne ein Einfamilienhaus, in dem drei Zimmer leer stünden. Auch während den Abwesenheiten von E. wäre vor Ort eine lückenlose Betreuung sowohl der Kindseltern wie auch des Kindes durch erwachsene, erziehungsfähige Personen sichergestellt; in der Beschwerdeschrift werden vier Personen namentlich bezeichnet, welche diese Aufgabe übernehmen würden.

4.2. Das kantonale Gericht verwies zunächst auf frühere Konflikte zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter. Diese habe anfänglich die Finanzen ihrer Tochter verwaltet. Da sich die Beschwerdeführerin durch die Handlungen ihrer Mutter bevormundet gefühlt habe, sei für diese Aufgabe eine Vertretungsbeistandschaft geschaffen worden. Wenn die Mutter der Beschwerdeführerin nun als Pflegemutter ihres Enkels C.A. eingesetzt werde und im Rahmen der Betreuung und Erziehung des Kindes Entscheidungen treffe, seien – mit Blick auf diesen im Vergleich mit finanziellen Belangen ungleich persönlicheren und emotionaleren Bereich – umso mehr noch neue Streitigkeiten zu befürchten, zumal auch der Beschwerdeführer den Wunsch hege, mit der Zeit zu dritt im Familienverband selbständig leben zu können. Aufgrund der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers bestehe die Gefahr, dass es in Stresssituationen zu aggressiven Durchbrüchen komme und das Kind dadurch gefährdet werde. Die Grossmutter, deren Erziehungsfähigkeit ausser Frage stehe, wäre, so das Obergericht weiter, gerade in einer solchen Situation mit der Betreuung und Erziehung ihres Enkels und der gleichzeitigen Betreuung ihrer Tochter und des Beschwerdeführers wohl überfordert, selbst wenn sie, wie von den Beschwerdeführern geltend gemacht, auf die Hilfe weiterer Personen aus ihrem Umfeld zurückgreifen könnte. Im Übrigen wäre auch im Fall, dass Mutter und Kind allein bei der Grossmutter untergebracht werden, nicht auszuschliessen, dass es bei Besuchen des Beschwerdeführers zu Gewaltausbrüchen komme. Angesichts der im Gutachten beschriebenen Abhängigkeit der Beschwerdeführerin vom Beschwerdeführer sei absehbar, dass jene ihren Ehemann im Konfliktfall unterstützen werde. Insgesamt habe die KESB die Unterbringung von C.A. bei seiner Grossmutter zu Recht abgelehnt. Mit Blick auf die Gesamtheit der Umstände sei auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere Abklärungen verzichtet habe. Die Platzierung als solche sei verhältnismässig, ermögliche sie dem Kind doch ein Aufwachsen in einer familiären Umgebung. Der Kontakt zu seinen Eltern sei gewährleistet, das Besuchsrecht werde dauernd zu überprüfen und dem Alter und den Bedürfnissen des Kindes und seiner Eltern anzupassen sein.

4.3. Die Beschwerdeführenden wenden ein, das mit der strittigen Massnahme verfolgte Schutzziel sei auch bei einer Unterbringung des Kindes zusammen mit seinen Eltern (gegebenenfalls mit der Mutter allein) bei der Grossmutter mütterlicherseits erreichbar. Verhalte es sich so, müsse die Obhut aufgrund der Prinzipien der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität in dieser Weise geregelt werden. Die Vorinstanzen hätten die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Lösung, welche das Recht auf Familie resp. auf ein Familienleben (Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 BV) soweit möglich wahre, infolge einer fehlerhaften antizipierten Beweiswürdigung nicht geprüft und damit den Untersuchungsgrundsatz (Art. 446 ZGB) verletzt.

5. Im Hinblick auf die Frage, ob der Grundsatz der Subsidiarität im Lichte der gutachterlichen Schlussfolgerungen (unten E. 5.2) gewahrt ist (dazu E. 3 und 5.3), gilt es im Folgenden den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt teilweise zu ergänzen (Art. 105 Abs. 2 BGG).

5.1. Die strittige Fremdplatzierung in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie erfolgte zum Schutz des Kindes. Dem angefochtenen Urteil liegen folgende Aspekte einer Gefährdungslage zugrunde:

5.1.1. Zum ersten sind aggressive Verhaltensweisen und Drohungen des Kindsvaters aktenkundig. Die Persönlichkeit des Beschwerdeführers ist – nach Gewalterfahrungen und Fremdplatzierungen im Kindesalter – stark belastet. Ausserdem besteht eine Intelligenzminderung. Zur Erziehungsfähigkeit lässt sich den Akten, vorab dem kinderpsychiatrischen Gutachten vom 19. Januar 2016 und dem Therapieverlaufsbericht des Forensischen Instituts G. vom 29. Oktober 2015, zusammenfassend Folgendes entnehmen: Die kognitive Einschränkung und die lebensgeschichtliche Vorbelastung führten kombiniert zur Gefahr von „aggressiven Durchbrüchen“ in Stresssituationen sowie in Momenten grosser Frustration, Versagensängsten oder Selbstwertbedrohung. Der Beschwerdeführer werde mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein, Bedürfnisse und herausfordernde Reaktionen des Kindes in ihrer Komplexität angemessen zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren; diesbezüglich scheine es aufgrund seiner persönlichen Vorgeschichte an Feinfühligkeit und Empathie zu fehlen. Die kognitive Einschränkung erschwere zudem eine auf die potentiell gefährdenden Verhaltensmuster einwirkende Therapie. Eine umfassendere Beurteilung setzt nach Auffassung der Gutachter eine längere Phase praktischer Beobachtung voraus, während derer sich der Beschwerdeführer in erziehungsrelevanten Situationen bewähren müsste. Er war zwar bereit und in der Lage, sich Therapien zu unterziehen, in welchen an seiner Konfliktfähigkeit und sozialen Kompetenz gearbeitet wurde. Allerdings sind die Betreuer bislang von einer „eher brüchigen und zu wenig stabilen Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Transparenz gegenüber dem Helfersystem“ ausgegangen. Nach ihrer Prognose könnten Situationen, in denen sich der Kindsvater mit Entscheidungen des Helfersystems konfrontiert sehe, die seinen Erwartungen und Bedürfnissen widersprechen, einen Zusammenbruch des Arbeitsbündnisses bewirken sowie die Wiederaufnahme einer abwehrenden, bagatellisierenden und kaum Transparenz zulassenden Haltung gegenüber dem Helfersystem (erwähnter Therapieverlaufsbericht vom 29. Oktober 2014, S. 6 f.).

5.1.2. Bei der Kindsmutter besteht ebenfalls eine Intelligenzminderung, ausserdem eine Epilepsie. Letztere ist nach Ansicht der KESB insofern von Belang, als das Kind etwa dann physisch gefährdet sein könnte, wenn die Mutter das Kind trage und in diesem Moment einen Anfall erleide.

5.1.3. Im Verhältnis unter den Eltern besteht eine schwierige Paardynamik. Die Vorinstanz entnahm den Akten, dass es zwischen den Kindseltern immer wieder Episoden von verbaler oder auch körperlicher Gewalt gebe. Diese gehe meist vom Beschwerdeführer aus; doch könne auch die Beschwerdeführerin übergriffig reagieren. Gleichzeitig sei das Paar sehr aufeinander bezogen; es falle den Beschwerdeführenden schwer, sich voneinander abzugrenzen. Insbesondere die Kindsmutter sei stark vom Kindsvater abhängig und lasse sich von diesem beeinflussen. Der Kindsvater hege hohe (und insoweit unrealistische) Erwartungen an ein künftiges Familienleben. Wenn sich diese Erwartungen nicht verwirklichten, sei angesichts seiner geringen Frustrationstoleranz zu befürchten, dass es bei einer Unterbringung der Kindseltern bei der Grossmutter zu Konflikten zwischen dieser und dem Kindsvater sowie der sich wohl mit ihm solidarisierenden Kindsmutter komme. Diese Konflikte wiederum dürften die Erziehungsfähigkeit der Grossmutter, die als solche ausser Frage stehe, beeinträchtigen. Angesichts des Einflusses des Kindsvaters auf die Kindsmutter könne eine solche Entwicklung auch dann eintreten, wenn diese allein mit dem Kind bei ihrer Mutter untergebracht sei.

5.2. Die kinderpsychiatrischen Gutachter kamen zum Schluss, derzeit sei davon auszugehen, dass das Kind unter der alleinigen Obhut der Eltern insbesondere in seiner psychischen und physischen Gesundheit gefährdet wäre. Die Kindseltern benötigten eine kontinuierliche Unterstützung. Wenn diese nicht gewährleistet sei, müsse eine dauernde Unterbringung des Kindes angeordnet werden (S. 15 f. Ziff. 3.5 des Gutachtens vom 19. Januar 2016). Um die Trennung von Eltern und Kind zu vermeiden, empfahlen die Gutachter weiter, alle gemeinsam in einer geeigneten Einrichtung oder Pflegefamilie unterzubringen. Im Rahmen einer solchen Lösung sei eine kontinuierliche Betreuung der Eltern erforderlich (S. 16 Ziff. 3.6).

5.3. Das Kindeswohl ist aus Sicht der Sachverständigen am besten gewahrt, wenn Kind und Eltern zusammenleben und die Eltern so weit unterstützt, betreut und beaufsichtigt werden, dass die zu erwartenden Defizite bei der Kindesbetreuung und -erziehung ausgeglichen werden. Unter diesen Umständen darf – ohne Verletzung des Subsidiaritäts- und Verhältnismässigkeitsgrundsatzes sowie von Art. 446 ZGB – auf Abklärungen hinsichtlich des von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen Betreuungsmodells nur verzichtet werden, wenn erkennbar ist, dass der Schutz und das Wohlergehen des Kindes in diesem Rahmen von vornherein nicht gewährleistet werden kann. So verhält es sich aber nicht: Es ist nicht auszuschliessen, dass die Gefährdungen durch ergänzende Massnahmen zur Betreuung der Eltern im Sinne der gutachterlichen Empfehlung sowie durch behördliche Aufsichts- und Interventionsbefugnisse nach Art. 307 ZGB und im Rahmen der bestehenden und unbestrittenen Beistandschaft nach Art. 308 ZGB aufgefangen werden können, soweit die Grossmutter die nötige Betreuung nicht selber (oder mithilfe von verlässlichen Hilfspersonen) zu leisten vermag.

5.4. Derartige Vorkehrungen dienten dem Grundsatz der Subsidiarität, wonach eine Fremdplatzierung ultima ratio ist. Freilich ist diese einschneidendere Massnahme nicht generell dann erst verhältnismässig, nachdem eine in Betracht fallende mildere Alternative erprobt worden ist und sich als unzureichend herausgestellt hat. Die Vorkehr muss zwar so zurückhaltend wie möglich, gleichzeitig aber auch so wirksam und nachhaltig wie nötig sein. Dieser erwachsenenschutzrechtliche Grundsatz (vgl. Urteil 5A_795/2014 vom 14. April 2015 E. 4.3.1) gilt – mit Blick auf die überaus grosse Bedeutung von stabilen Verhältnissen für das Kind – erst recht, wenn über die Wirksamkeit von Kindesschutzmassnahmen eine Prognose getroffen werden muss.

5.5. Angesichts der gutachterlichen Empfehlungen bedarf es grundsätzlich weiterer Abklärungen durch die KESB. Zu untersuchen bleibt, ob die Gefährdungen des Kindes (oben E. 5.1) durch begleitende und entlastende Vorkehrungen mit einem für alle Beteiligten zumutbaren Aufwand voraussichtlich verhindert werden können. Dies wiederum setzt voraus, dass die in der Beschwerde dargelegten tatsächlichen Rahmenbedingungen betreffend die dauerhafte Betreuung sowohl des Kindes wie auch seiner Eltern (oben E. 4.1) auf Dauer gewährleistet sind. Den in der Eingabe vom 6. Dezember 2016 dokumentierten Sachverhalten, welche im Rahmen dieses Verfahrens nicht mehr berücksichtigt werden können (oben E. 2.2), wird sowohl bei der Festlegung des Umfangs der nötigen Abklärungen als auch bei der Würdigung der Abklärungsergebnisse – mit offenem Ausgang – Rechnung zu tragen sein.

6.1. Die Sache ist an die Kindesschutzbehörde zurückzuweisen, damit sie im Sinne des Gesagten die Voraussetzungen für eine Unterbringung von C.A. und seiner Eltern – resp. der Mutter allein – bei E. als Pflegemutter abkläre, gegebenenfalls die in diesem Fall notwendigen zusätzlichen Massnahmen prüfe und anschliessend neu entscheide.

6.2. Während der Abklärungen ist die gegenwärtige Unterbringung in der bisherigen Pflegefamilie weiterzuführen.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Kindeseltern im Moment nicht in der Lage sind, selbstständig für den Sohn zu sorgen. Folglich fragt sich, was für Kindesschutzmassnahmen erforderlich sind.

Die Grossmutter wäre für die Unterbringung grundsätzlich sehr geeignet. Das Problem ist aber, dass die Kindeseltern auch dort wohnen wollen. Da die KESB die Parteien bereits von früher kannte, ging sie wohl davon aus, dass solch ein Arrangement problematisch sein würde. Für die KESB war es offensichtlich klar, dass solch eine Lösung zum vornherein zum Scheitern verurteilt ist, weil wieder eskalierenden Situationen zwischen den Kindeseltern und der Grossmutter zu erwarten sind, was eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen würde. Folglich zog die KESB eine Unterbringung bei der Grossmutter gar nicht ernsthaft in Betracht.

Der Gutachter kam zum Schluss, dass die Kindeseltern kontinuierlicher Betreuung bedürften. Wenn eine solche nicht gewährleistet werden könne, müsse das Kind fremdplatziert werden. Der Gutachter hielt jedoch auch fest, dass das Kindeswohl am besten gewahrt sei, wenn das Kind mit den Eltern zusammenlebt und die Eltern soweit unterstützt, betreut und beaufsichtigt werden, um die zu erwartenden Defizite bei der Kinderbetreuung auszugleichen.

In Anbetracht der klaren gutachterlichen Stellungnahme konnte die KESB ihren Entscheid nicht einzig auf ihre bisherigen Erfahrungen mit den Parteien stützen. Vielmehr war sie verpflichtet, eine allfällige Unterbringung bei der Grossmutter seriös abzuklären. Es liegt somit auch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 446 Abs. 1 ZGB) vor. Darum hob das Bundesgericht das Urteil des Obergerichts auf und wies den Fall an die KESB für weitere Abklärungen zurück. Mit diesem Urteil unterstreicht das Bundesgericht einmal mehr die Wichtigkeit der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit im Kindesschutzrecht.

Art. 389 ZGB
B. Subsidiarität und Verhältnismässigkeit
1 Die Erwachsenenschutzbehörde ordnet eine Massnahme an, wenn:
1. die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch die Familie, andere nahestehende Personen oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht oder von vornherein als ungenügend erscheint;
2. bei Urteilsunfähigkeit der hilfsbedürftigen Person keine oder keine ausreichende eigene Vorsorge getroffen worden ist und die Massnahmen von Gesetzes wegen nicht genügen.
2 Jede behördliche Massnahme muss erforderlich und geeignet sein.

Nach weiteren Abklärungen wird die KESB wohl eine Unterbringung des Kindes bei der Grossmutter befürworten. Da auch die Kindeseltern dort wohnen, wird die KESB weitere flankierende Massnahmen (Beistandschaft oder Familienbegleitung) anordnen. Den Kindeseltern muss jedoch klar gemacht werden, dass die Gutheissung der Beschwerde nur ein Etappensieg ist. Sollte eine Unterbringung bei der Grossmutter ihretwegen nicht funktionieren, dann ist eine Fremdplatzierung nicht mehr zu vermeiden. Als Mahnung dienen folgende Worte des Bundesgerichts in einem Urteil vom 2. Juni 2016 (5A_724/2015):

Der Staat ist nicht verpflichtet, beliebige kostspielige Vorkehren zu treffen, um eine Fremdplatzierung von Kindern zu verhindern.

Die Unterbringung eines Kindes bei den Grosseltern ist grundsätzlich eine bevorzugte Lösung, da sie eine Lösung innerhalb der Familie ist. Trotzdem kann man jedoch nicht einfach vermuten, dass dies auch die beste Lösung für das Kind ist. Vielmehr sind auch bei einer familiären Lösung die familiären Verhältnisse abzuklären, namentlich das Verhältnis zwischen Grosseltern und Kindeseltern. Wie man aus diesem und dem Fall Flaach sieht, kann dieses Verhältnis belastet oder problematisch sein, was negative Wirkungen auf das Kind haben kann. Folglich ist es unabdingbar, die Platzierung bei den Grosseltern genauer zu prüfen, um eine Gefährdung des Kindeswohls ausschliessen zu können. Eine eingehende Prüfung drängt sich vor allem dann auf, wenn die Parteien bereits früher einschlägig aufgefallen oder wenn bei der ersten Sachverhaltsabklärung Auffälligkeiten aufgetreten sind. Nur weil Grosseltern im Spiel sind, entbindet das die KESB nicht von der Pflicht, die Verhältnisse gründlich abzuklären. Vielen Menschen hängen dem Mythos der heilen Familie nach. Die Realität sieht dagegen regelmässig ganz anders aus. Häufig wenig heile Familie. Wenn bei den Kindeseltern Defizite vorhanden sind, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Beziehung zwischen Kindeseltern und Grosseltern auch problembehaftet ist.

Auch im Fall Flaach waren die Verhältnisse nicht ganz so einfach, wie sie gerne in den Medien und sozialen Medien dargestellt worden waren. Die Antwort, warum man die Kinder nicht bei den Grosseltern platziert hat, ist nicht ganz so einfach zu beantworten, wie viele denken.

Zunächst muss ich festhalten, dass ich mein Wissen in Bezug auf den Fall Flaach einzig aus den Medien oder aus amtlich publizierten Dokumenten habe. Daraus kann ich mir ein gewisses Bild machen, aber dieses bleibt naturgemäss unvollständig und etwas spekulativ. Für eine seriöse Beurteilung des Falles ist umfassende Akteneinsicht notwendig, namentlich wären die Anhörungsprotokolle und die Entscheide der KESB sehr erhellend.

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung war das Verhältnis zwischen Grosseltern und Kindesmutter nicht ganz unproblematisch. Das zeigt zum Beispiel der folgende Auszug aus dem im Strafverfahren von Frank Urbaniok erstellten Gutachten:

Interaktion der KESB mit den Grosseltern

Dass die Interaktion mit den Grosseltern und der KESB von Missverständnissen geprägt war, erschliesst sich aus einem Nebenaspekt der geschilderten Dynamik. Die Grosseltern wussten um die Problematik des Lebensstils der Beschuldigten und ihres Ehemannes und kannten die Tendenz zum Lügen seit frühester Kindheit. Sie nahmen eine Beschleunigung der Negativspirale wahr, indem sich die geschilderten Szenarien immer weiter von der Realität entfernten. In dieser Situation wollten die Grosseltern eine stabilisierende Funktion vor allem für ihre Grosskinder übernehmen. In einem günstigen Szenario rechneten sie damit, dass es vielleicht irgendwann einen „Denkzettel“ geben würde, der das Paar wieder auf den Boden holen und einen Neuanfang ermöglichen würde. Für diesen Fall standen die Grosseltern parat, dann die Betreuung der Kinder eine Zeit lang zu übernehmen. Sie hatten sich also in gewisser Weise schon seit längerer Zeit – aus ehrenwerten Motiven – als „Reserveeltern“ positioniert, die bei einer Krise in die Bresche springen würden.

Als die Situation mit der Platzierung der Kinder im Heim eintrat, welche die Grosseltern schon seit geraumer Zeit antizipierten, setzten sie alles daran, nun möglichst bald – wie geplant – die Verantwortung für die Kinder zeitweise zu übernehmen. Es ist verständlich, dass vor diesem Hintergrund bei den Grosseltern keinerlei Verständnis dafür vorhanden war, dass man dies nun nicht umgehend umsetzte.

In gleicher Weise verständlich ist aber auch, dass die KESB die starke Präsenz der Grosseltern zunächst nicht richtig einordnen konnte. Es stellten sich Fragen hinsichtlich der Motivation der Grosseltern und es bestand die Befürchtung, dass eine Platzierung bei den Grosseltern die spätere Etablierung der leiblichen Mutter dauerhaft erschweren würde.

Die Grosseltern spürten die anfänglichen Vorbehalte, was ihre Aktivität nur umso mehr verstärkte. Dies wiederum war auf Seiten der KESB nicht geeignet, die im Raum stehenden Vorbehalte zu entkräften. So entwickelte sich auch zwischen der KESB und den Grosseltern eine sehr negative, eskalative Dynamik. Das ist ein tragischer Nebenaspekt der gesamten Vorgeschichte. Denn die Grosseltern waren in der Situation – und schon seit längerer Zeit – eine stabilisierende Ressource.

Gleichzeitig ist aber auch verständlich, dass die KESB, die nur über einen Bruchteil des hier dargelegten Wissens über die Vorgeschichte, die Persönlichkeitsproblematiken und die Rolle der Grosseltern in dieser Dynamik wissen konnte, zunächst auf weitere Abklärungen setzte.

Im Gutachten Affolter/Inversini betreffend die Handlungsweise der KESB finden sich ausserdem folgende Ausführungen:

Die Kinder hatten im Heim X als vorübergehende Lebenssituation ein gutes und förderndes Betreuungsangebot. Mit der Haftentlassung forderte die Mutter die Rückplatzierung der Kinder zu sich, die Grosseltern eine solche zu sich, während sich der Vater mit Ambivalenzen vornehmlich für eine Platzierung bei den Grosseltern aussprach. Die KESB konnte damit nicht auf einen elterlichen oder innerfamiliären Konsens abstellen. In den sechseinhalb Wochen zwischen der superprovisorischen Heimplatzierung (4. November 2014) und der vorsorglichen Heimplatzierung (19. Dezember 2014) verzögerte sich der Entscheid über eine Rückplatzierung zur Mutter oder einer vorübergehenden Platzierung bei den Grosseltern, weil der KESB nur unzureichende Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung standen. Dementsprechend vertröstete sie die Eltern wie die Grosseltern auf einen zusätzlichen Abklärungsbedarf, ohne allerdings die entsprechenden Untersuchungen selbst voranzutreiben. Dadurch verloren die Eltern wie die Grosseltern zusehends das Vertrauen in die Kindesschutzorgane und leisteten – fatalerweise – unter Einbezug der Kinder gegen die Heimplatzierung zusehends Widerstand („wir holen euch hier raus!“). Damit waren die noch jungen Kinder einesteils einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt, andernteils litten sie nach besuchs- und kontaktbedingten Abschieden unter der Trennung mit möglicherweise problematischen Folgen. Dies führte ins Dilemma, dass die aktuelle Kindeschutzmassnahme die Gewährleistung des unmittelbaren Kindeswohls in Frage stellte. Während für eine Rückführung der Kinder zur Mutter die nötigen, von der KESB aus nachvollziehbaren Gründen geforderten äusserlichen Voraussetzungen fehlten, mangelte es für eine antragsgemässe Platzierung beiden Grosseltern an den nötigen Entscheidungsgrundlagen, weil die KESB diese Option schon früh verworfen hatte und deshalb keine diesbezüglichen Abklärungen vornahm. Ob eine solche Platzierung möglich gewesen wäre, lässt sich mangels Abklärungsergebnissen nicht abschliessend beurteilen, aufgrund der bekannten Fakten aber auch nicht zum Vorneherein verneinen.

Im Nachhinein ist es immer einfach, die KESB zu kritisieren. Das Gutachten Affolter/Inversini gibt diesbezüglich Hinweise. Man kann gewisse Sachen immer anders machen, aber von aussen betrachtet erscheinen die grossen Linien im normalen Rahmen. Vor allem kann man auch in zeitlicher Hinsicht bei solchen Verhältnissen kein schnelleres Handeln der KESB erwarten. Die Abklärungsphase dauert immer eine gewisse Zeit und das ist meist länger, als es sich die Betroffenen wünschen.

Interessant ist, dass es nach der Haftentlassung der Kindesmutter keinen gemeinsamen Standpunkt von Kindesmutter und deren Eltern gegeben hat. Die Kindesmutter verlangte die (wohl sofortige) Aufhebung der Fremdplatzierung und Rückplatzierung der Kinder zu sich. Die Grosseltern verlangten dagegen, dass die Kinder vorläufig bei Ihnen untergebracht werden. Der inhaftierte Kindesvater befürwortete auch eine Platzierung bei den Grosseltern.

Ich denke, die Hauptproblematik liegt wohl darin begründet, dass die KESB das Ziel verfolgte, die Kinder wieder mit der Kindesmutter zusammenzuführen. Die Heimplatzierung wurde als eine temporäre Massnahme betrachtet. Die KESB verlangte vor allem, dass die Kindesmutter über stabile Wohnverhältnisse verfügen müsse und nicht – wie vorher – ständig herumziehe. Die Kindesmutter war, was nicht weiter erstaunlich ist, auf die Schnelle nicht in der Lage, diesbezüglich eine Lösung zu liefern. Ich gehe davon aus, dass – unter normalen Umständen – es hätte möglich sein müssen, im Januar oder Februar 2015 bezüglich die Wohnverhältnisse eine Lösung zu finden, was eine Aufhebung des Obhutsentzuges ermöglicht hätte. Allerdings wären andere, minderschwere Kindesschutzmassnahmen angeordnet worden, wie zum Beispiel eine Beistandschaft oder eine Familienbegleitung. Ob die Kindesmutter allerdings wirklich in der Lage gewesen wäre, mehr Stabilität in ihr Leben zu bringen, muss gestützt auf das psychiatrische Gutachten bezweifelt werden. Die KESB ging offensichtlich nicht von einer längerfristigen Fremdplatzierung aus. Darum war die Unterbringung der Kinder bei den Grosseltern kein grosses Thema, da die Rückplatzierung zur Kindesmutter schon als bald möglich erachtet worden war. Wenn sich jedoch wegen der Kindesmutter die Rückplatzierung verzögert hätte, wäre wohl die Unterbringung bei den Grosseltern im Sinne einer mittelfristigen Lösung geprüft worden. Problematisch ist allerdings, dass sich die Grosseltern bereits als eine Art Ersatzeltern betrachteten, was das generelle Ziel, die Rückplatzierung zur Kindesmutter, hätte erschweren können. Zudem fragt sich, ob die Kindesmutter eine Platzierung bei den Grosseltern überhaupt akzeptiert hätte, da sie die Kinder selbst beanspruchte. Im Grossen und Ganzen ist das Handeln der KESB meines Erachtens gut nachvollziehbar. Man muss vor allem betonen, dass das Verfahren erst am Anfang gestanden und das letzte Wort noch lange nicht gesprochen gewesen ist. Schliesslich beendete die Kindesmutter diese Abklärungen mit ihrer rein egoistischen, nicht nachvollziehbaren Tat. Ganz nach dem Motto: „Wenn ich die Kinder nicht haben kann, dann soll sie gar niemand haben.“

Im Fall Flaach stand die KESB im Zentrum der Kritik. Dieser Fokus auf die KESB lässt vergessen, dass man sich insbesondere auch mit den Parteien, nämlich den Kindeseltern und den Grosseltern, auseinandersetzen muss. Das Verhalten der Parteien hat einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeit der KESB. Die Interaktion zwischen KESB und Parteien beeinflusst das Resultat massgeblich. Die KESB ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Man kann immer kritisieren, dass die KESB die Parteien zu wenig ernst genommen oder zu wenig informiert habe. Man muss aber auch beachten, dass sich die KESB regelmässig mit sehr schwierigen Leuten herumschlagen muss. Wenn man zum Beispiel mit Leuten zu tun hat, die nur sagen „Ich will, ich will, ich will, ich will und zwar subito!“ und gleichzeitig völlig unfähig zur Selbstkritik sind, so ist eine vernünftige Kommunikation sehr schwierig.

Im Gutachten Urbaniok finden sich in Bezug auf die Kindesmutter folgende Ausführungen:

Phase 2: Platzierung der Kinder und Interaktion mit der KESB

Frau B. nahm – aufgrund ihres Persönlichkeitsprofils – die Kinder tendenziell als eine Erweiterung ihres eigenen Ichs und weniger als von ihr getrennt existierende, eigenständige Persönlichkeiten wahr. Das wiederum bedeutete, dass sich die Grenzsetzung der Realität (repräsentiert durch das Handeln der KESB) im Kernbereich der eigenen Persönlichkeit abspielte.

Die Realität, die für Frau B. ohnehin keine massgebliche Bedeutung hatte, die man normalerweise umgehen, relativieren oder durch eigene Wirklichkeitsversionen ausser Kraft setzen konnte, hatte nun – nicht irgendwo – sondern im Zentrum der eigenen Persönlichkeit wie eine Bombe eingeschlagen.

Ab diesem Zeitpunkt war alles Bestreben von Frau B. darauf ausgerichtet, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Das Ziel war, den Einbruch der Realität im Kernbereich der eigenen Persönlichkeit rückgängig zu machen. Aufgrund ihres Persönlichkeitsprofils begann mit der Wegnahme der Kinder in psychologischer Hinsicht ein existenzieller Machtkampf. Durch die Grenzsetzung, durch den Einbruch der Realität war die Persönlichkeitsorganisation von Frau B., war ihr persönliches Lebensprinzip im Kern bedroht. Die Realität, die eigentlich ein geringes Korrekturpotenzial hat, wurde nun zu einer nicht überwindbaren Grenze. Das widersprach der gesamten Persönlichkeitsorganisation von Frau B. Sie wird in der Folge in ihrer subjektiv-psychologischen Sicht alle – im wahrsten Sinne des Wortes alle – Mittel ergreifen, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Der Instabile Realitätsbezug zusammen mit dem Geltungsdrang machten es Frau B. extrem schwer, eine von aussen an sie heran getragene Grenzsetzung zu akzeptieren.

Im Kern der psychologischen Dynamik ging es dabei nicht um die Kinder im Sinne eines autonom verstandenen Kindeswohls. Tatsächlich ging es im Kern der Eskalation um einen Machtkampf, in dem Frau B. in psychologisch-existenzieller Hinsicht darauf angewiesen war, ihr bisheriges Lebensprinzip und ihre Persönlichkeitsorganisation zu verteidigen.

Die KESB und Frau B. sprachen verschiedene Sprachen, weil sie auf unterschiedlichen Organisationsprinzipien beruhten. Die KESB orientierte sich – juristisch unterlegt – an Prinzipien wie Verlässlichkeit, Absprachefähigkeit und an überprüfbaren Fakten (Mietvertrag, soziale Einbettung, Perspektiven etc.). Das sind nicht die Kategorien, an denen sich Frau B. ausrichtete. Im Gegenteil waren diese Prinzipien potenziell eine Bedrohung für das Lebensprinzip „Mehr Schein als Sein“. Sie waren eine Bedrohung für die legitim und stimmig erlebte Geltungssucht, die in der Realität nie anhand solcher Kriterien realisiert werden konnte. Mit jedem Tag, den dieser Zustand länger anhielt, konnte bei Frau B. keine Beruhigung eintreten, sondern nur das Gegenteil. Der subjektive Idealzustand, in dem Instabiler Realitätsbezug und Geltungssucht nicht durch die Realität ad absurdum geführt werden, rückte in immer weitere Ferne. Nicht zu unrecht befürchtete Frau B., dass die weiteren psychologischen Abklärungen möglicherweise Probleme zutage fördern könnten. Es muss ihr in psychologischer Hinsicht ein Graus gewesen sein, sich vorzustellen, dass das in der Zukunft weitere Interventionen, Beobachtungen und Vorschriften zur Folge haben könnte. Das wollte Frau B. – so, wie sie es selber auch ausdrückte – um jeden Preis verhindern. In diesem Sinne ist es auch ein bezeichnendes Missverständnis für die Kommunikation zwischen KESB und Frau B., wenn sie mit Überzeugung davon spricht, dass sie alle geforderten Vorgaben erfüllt habe. Für eine Person, für die die Realität, Versprechungen und Verlässlichkeit dehnbare Begriffe sind, war diese Sichtweise durchaus nachvollziehbar. Sie entsprach dem bisherigen Lebensprinzip von Frau B. Die Behörde, in ihrer schnöden, realitätsorientierten Arbeitsweise, hielt die Vorgaben aber – in nachvollziehbarer Weise – für nicht erfüllt.

In beiden Fällen hatte es die KESB mit sehr schwierigen Kindeseltern zu tun. Das hat einen grossen Einfluss, wenn die Unterbringung der Enkelkinder bei den Grosseltern geprüft werden muss. Darum ist die Frage nach der Unterbringung der Enkelkinder bei den Grosseltern in der Praxis nicht immer ganz so einfach zu beantworten, wie dies rein theoretisch zu erwarten wäre. Die familiäre Platzierung hat zwar Vorrang, was aber die KESB nicht von ihrer Pflicht entbindet, die Verhältnisse genauer abzuklären. Beide Fälle zeigen, dass die Platzierung bei den Grosseltern – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – problematisch sein kann. Die Krux mit den Grosseltern liegt somit im Detail. Und schliesslich hat sich die KESB bei der Wahl der richtigen Kindesschutzmassnahme einzig vom Kindeswohl leiten zu lassen.