Wie Corona der KESB den Arsch gerettet hat

Im Gesetzgebungsverfahren war völlig unstrittig, dass die Vormundschaftsbehörde durch eine Fachbehörde, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, abgelöst werden solle. So nahm am 1. Januar 2013 die KESB ihre Arbeit auf. Ausser Leuten vom Fach und involvierten Personen interessierte sich kaum jemand für die KESB.

Das änderte sich am 1. Januar 2015 schlagartig, als in Flaach eine persönlichkeitsgestörte Frau aus rein egoistischen Gründen ihre beiden Kinder umbrachte. Nun war die KESB plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit. Und zwar als Buhmann der Nation. Empörungswellen überschwappten in der Folge das Land. KESB-Bashing war der neue Volkssport.

Die Skandalisierung der KESB führte dazu, dass nun jede und jeder seinen Fall an die Öffentlichkeit tragen und sich als Opfer der KESB inszenieren konnte. Die öffentliche Meinung sollte damit zu ihren Gunsten manipuliert werden, um Einfluss auf die KESB zu nehmen. Die Medien griffen das Thema dankbar auf, denn Opfer und vermeintliche Skandale generieren Aufmerksamkeit. Jedoch handelte es sich bei diesen Betroffenen, wenn man etwas genauer hinschaute, meist gar nicht um Opfer der KESB, sondern um Personen, denen schlicht das Verständnis fehlte, sich selbst als Teil des Problems zu sehen. Es ist eben einfacher, die Schuld bei anderen (KESB) zu suchen. So lenkt man von den eigentlichen Problemen ab. Im Ergebnis wurde durch die Skandalisierung der KESB und die Opferhaltung der Betroffenen die Problemlösung massiv erschwert. Und tatsächlich waren die wahren Opfer nicht die gestörten Eltern, sondern deren Kinder.

Daneben bildeten sich verschiedene Gruppen von KESB-Kritikern, die sich vor allem in den sozialen Medien austauschten. Dabei handelte es sich allerdings nur teilweise um Personen, die direkt von der Thematik betroffen waren. Meist waren es Leute, die absolut keine Ahnung von der Materie hatten und sich vor allem durch ihre Vorurteile leiten liessen. Oft handelte es sich um Menschen, die mit ihrem Leben unzufrieden waren und die grosse Leere in ihrem Leben dadurch zu füllen versuchten, indem sie nun auf andere zeigen konnten. KESB-Bashing als Ersatzbefriedigung und Ersatzreligion. Die KESB als Satan, den es zu bekämpfen galt. Die KESB-Kritiker bildeten eine Art Hassgruppe, denn gemeinsamer Hass verbindet. Wir-Gefühl. In der eigenen Echokammer verloren die KESB-Kritiker folglich den Bezug zur Realität und waren für rationale Argumente kaum mehr erreichbar. Monolog statt Dialog.

Auf diesen Zug sprangen zudem auch gewisse Politiker und Politikerinnen auf. KESB-Bashing als grossartige Möglichkeit, sich selbst öffentlichwirksam zu inszenieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Auf Stimmenfang, indem man dem Volk nach dem Mund redet. Schimpfen kommt immer gut an. In der Folge Aktionismus im Nationalrat durch das Einreichen von meist sinnlosen Vorstössen. Selbstbeschäftigung und Selbstinszenierung durch ständige Problembewirtschaftung. Konkrete Verbesserungsvorschläge waren nicht gefragt. Etwas anderes zu behaupten, wäre Heuchelei.

Ende 2019 scheiterte eine Anti-KESB-Initiative, weil die Empörungswelle bereits stark abgeflacht war. Die KESB-Thematik blieb aber weiterhin virulent. Aber Anfang 2020 türmte sich die nächste Welle auf: Corona. Das war nun das Thema der Stunde. Oder anders gesagt: Die KESB interessierte nun plötzlich wieder niemand mehr.

Auch kein Mensch interessierte sich nun mehr für die KESB-Betroffenen. Die gesamte Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit galt jetzt Corona. Angebliche KESB-Opfer waren bei den Medien nicht mehr gefragt, weil man mit ihnen keine monetarisierbare Aufmerksamkeit mehr generieren konnte. Insgesamt war die neue Situation für die Betroffenen durchaus positiv, denn nun konnten sie ihren Fall nicht mehr ohne weiteres in der Öffentlichkeit breittreten und sich als Opfer inszenieren. Sie konnten sich nicht mehr selbst verleugnen und mussten sich konstruktiv dem Verfahren bei der KESB stellen, wenn sie zu einer vernünftigen Lösung gelangen wollten. Statt öffentliche Aufmerksamkeit war nun wieder solide rechtliche Beratung mehr gefragt.

Die KESB-Kritiker switchten zu den Corona-Skeptikern. Die KESB als alleiniges Hassobjekt hatte ausgedient. Da sich die Unzufriedenheit in ihrem Leben nicht in Luft auflöste, musste nun Corona dazu herhalten, die grosse Leere im eigenen Leben zu füllen. Man tauschte sich weiter in den sozialen Medien aus, denn gemeinsamer Hass verbindet nach wie vor. Gruppenzugehörigkeit. Gemeinsamer Hass auf den Staat im Allgemeinen und die Regierung im Besonderen als Ersatzbefriedigung bzw. Ersatzreligion. Die Bundesverfassung diente als Bibel dieser Ersatzreligion. Allerdings wurde die Bundesverfassung nur sehr selektiv gelesen und sehr einseitig verstanden. In der eigenen Echokammer verloren die Corona-Skeptiker den Bezug zur Realität vollends und waren für rationale Argumente nicht mehr erreichbar. Monolog statt Dialog.

Auf diesen Zug sprangen zudem auch gewisse Politiker und Politikerinnen auf. Corona statt KESB. Das Thema „KESB“ wurde wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen, denn damit konnte man sich nicht mehr öffentlichwirksam inszenieren und politisches Kapital daraus schlagen. Die KESB wurde für die Politik uninteressant. Nun diente Corona, um auf Stimmenfang zu gehen und dem Volk nach dem Mund zu reden. Schimpfen kommt immer gut an. In der Folge Aktionismus im Nationalrat durch das Einreichen von meist sinnlosen Vorstössen. Selbstbeschäftigung und Selbstinszenierung durch ständige Problembewirtschaftung. Ideologischer Kulturkampf.

Die Corona-Pandemie hatte die KESB somit vollständig aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt. Die KESB interessiert wieder kaum jemand mehr. Die KESB-Thematik kann zwar noch weiterhin endemisch aufflackern, jedoch sind grössere Empörungswellen nicht mehr zu erwarten. Das Thema ist durch. Man kann somit etwas salopp sagen, dass Corona der KESB den Arsch gerettet hat.