Als Anwalt habe ich regelmässig mit der Kantons- oder der Stadtpolizei zu tun. Ich habe da ein entspanntes Verhältnis zur Polizei, denn ich weiss, was deren Aufgabe ist. Ich höre schon den berechtigten Einwand, dass ich gut so reden könne, da ich die Polizei nicht als Beschuldigter kenne. Allerdings sollte sich auch jeder Beschuldigte über die Funktion der Polizei bewusst sein. Somit geht der Slogan „ ACAB“ (All Cops are Bastards, oder auf gut Deutsch: Alle Bullen sind Schweine) an der Realität vorbei. Da Polizisten das staatliche Zwangsmonopol repräsentieren, haben sie eine Vorbildfunktion. Sie sind ein Role Model, weswegen ihr Leumund tadellos sein muss. Jedoch menschelt es auch bei der Polizei, weshalb nicht alle Polizisten diesem Anspruch gerecht werden können. Auch bei der Polizei gibt es schwarze Schafe.
Im Tagesanzeiger vom 19. April 2023 war Folgendes zu lesen:
Die Thin Blue Line-Fahne kann zum Beispiel hier gekauft werden:
Das Symbol wird sogar auf einer eigenen Website, welche von zwei geschäftstüchtigen Polizisten gegründet worden ist, gepusht und verklärt. Danach solle die Polizei (dünne blaue Linie) zwischen der Bevölkerung (schwarz) und den Kriminellen (schwarz) stehen. Die dünne blaue Linie bilde die Grenze zwischen Gut und Böse.
Gemäss Wikipedia beziehe sich das Symbol auf die Vorstellung von der Polizei als eines letzten Schutzes gegen das Abrutschen der Gesellschaft in gewalttätiges Chaos. Gemäss einem Artikel von Nau.ch vom 12. Juni 2022 führte die AfD-Politikerin Alice Weidel 2018 Folgendes aus: «Die Polizeibeamten, die die Bürger schützen und Recht und Ordnung durchsetzen, sind die „dünne blaue Linie“, die Zivilisation von Anarchie trennt. Lassen wir zu, dass diese Linie reisst, ist das Chaos nicht mehr weit.» Das ist doch eine sehr seltsames Gesellschafts- und Staatsverständnis! So ist es denn auch nicht weiter erstaunlich, dass das Symbol in den USA von weissen Chauvinisten und von Rechtsextremen verwendet wird.
Da das Symbol der dünnen blauen Linie eine äusserst problematische politische Konnotation hat, ist dessen Verwendung im polizeilichen Dienst ein absolutes No-Go, zumal die Polizei in der Öffentlichkeit politisch neutral aufzutreten hat. Zu Recht wurde somit die Fahne aus dem Gebäude der Stadtpolizei entfernt. Erstaunlich ist, dass Polizisten überhaupt auf die Idee gekommen sind, so etwas aufzuhängen, und dass die Vorgesetzten nicht interveniert haben.
Blau hat in einem anderen Zusammenhang auch eine ganz andere Bedeutung: Blau machen. Daran erinnerte ich mich, als ich ein Urteil des Verwaltungsgerichts gelesen habe.
Das Urteil des Verwaltungsgericht vom 2. März 2023 (VB.2022.00279) wird folgendermassen zusammengefasst:
Der als Polizist angestellte Beschwerdeführer wurde fristlos entlassen, nachdem er trotz Krankschreibung Wintersport betrieben und dabei versucht hatte, sich unter Berufung auf seine Stellung als Polizist der geltenden Maskentragpflicht zu widersetzen.
Die Beweislast für eine Arbeitsunfähigkeit liegt bei der arbeitnehmenden Person, auch wenn diese erst nach einigen Tagen Arbeitsunfähigkeit ein Zeugnis vorlegen muss (E. 4.2). Vorliegend ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer eine psychische Krankheit hatte, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führte und die sich dann ohne Beizug einer medizinischen Fachperson innert weniger Tagen durch Wintersport in den Bergen heilen liess. Das vom Beschwerdeführer eingereichte nachträgliche Arztzeugnis taugt nicht zum Beweis einer Arbeitsunfähigkeit (E. 4.4).
Der Beschwerdeführer war sodann wiederholt nicht in der Lage, seine Rolle als Polizist von seinem politischen Aktivismus zu trennen (E. 4.5). Eine weitere Anstellung war nicht zumutbar und die fristlose Entlassung deshalb gerechtfertigt (E. 4.6).
Sachverhalt:
I. A war ab dem 1. März 2011 mit einem Pensum von 100 % bei der Kantonspolizei Zürich tätig, zuletzt als Korporal des Polizeikorps. Mit Verfügung vom 7. Januar 2022 löste die Kantonspolizei das Anstellungsverhältnis mit A fristlos auf und begründete dies unter anderem damit, dass A am 22. Dezember 2021 trotz Krankschreibung Wintersport betrieben und dabei versucht habe, sich unter Berufung auf seine Stellung als Polizist der geltenden Maskentragpflicht zu widersetzen.
(…)
III. A liess am 10. Mai 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht führen und beantragen, unter Entschädigungsfolge sei der Rekursentscheid vom 8. April 2022 aufzuheben, die Unrechtmässigkeit der fristlosen Kündigung vom 7. Januar 2022 festzustellen und der Kanton Zürich zu verpflichten, ihm Fr. 45’745.85 als Lohn für die ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten sowie eine „Pönale“ in gleicher Höhe, beides zuzüglich Zins in Höhe von 5 % seit dem 7. Januar 2022, zu bezahlen. (…)
3. Der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer war ab März 2011 bei der Kantonspolizei als Polizist angestellt, zuletzt als Korporal des Polizeikorps. Mit Verfügung vom 15. Januar 2021 wurde ihm gegenüber ein Verweis ausgesprochen und ihm eine sechsmonatige Bewährungsfrist angesetzt, nachdem er am 20. Oktober 2020 während seiner Arbeitszeit uniformiert mit seinem Dienstmotorrad bei der Militärkaserne D vorgefahren war und die Wachsoldaten zu überzeugen versucht hatte, das Referendum gegen die Änderung des Covid-19-Gesetzes zu unterschreiben und die entsprechenden Materialien in der Kaserne zu verteilen. Zu diesem Zweck sandte er den Internetlink zum Referendum an den diensthabenden Wachtchef. Aus der Verfügung ergibt sich sodann, dass der Beschwerdeführer „immer wieder kritische, unwahre und provokative Botschaften“ zu den behördlich angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in den Sozialen Medien verbreitet und unter anderem sinngemäss behauptet hatte, er habe berufliche Nachteile erdulden müssen, weil er von seiner Meinungsäusserungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer ein Einzelunternehmen führe, ohne hierfür die Bewilligung einer Nebenbeschäftigung zu haben, und dass er eine Busse der Stadtpolizei Zürich wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit seinem Dienstfahrzeug erst nach mehrmaliger Ermahnung bezahlt habe.
Am 30. Oktober 2020 wurde der Beschwerdeführer temporär als Sachbearbeiter in den Bereich F kommandiert und ab dem 1. November 2021 in den Bereich G versetzt und als Sachbearbeiter in der Abteilung H eingesetzt. Aus der entsprechenden Versetzungsverfügung vom 25. Oktober 2021 ergibt sich unter anderem, dass der Beschwerdeführer in seiner angestammten Funktion als … nicht mehr eingesetzt werden könne, da er mit Verweis auf einen ärztlichen Dispens keine Maske trage. Ein weiterer Verbleib auf der Stelle im Bereich F sei nicht möglich, da seine Arbeitsergebnisse mangelhaft seien. Ab dem 1. November 2021 war der Beschwerdeführer als … beschäftigt.
Am Dienstag, den 21. Dezember 2021 meldete sich der Beschwerdeführer krank und erschien für den Rest der Woche nicht zur Arbeit. Am 22. Dezember 2021 rückten zwei Polizisten der Kantonspolizei Bern zur Mittelstation der Metschbahn in Lenk aus, da der Beschwerdeführer dort in Skiausrüstung versuchte, einen Zweitagespass zu erwerben und sich dabei weigerte, eine Maske zu tragen oder einen Maskendispens zu zeigen. Aus dem Journaleintrag der Kantonspolizei Bern vom 22. Dezember 2021 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in der Diskussion mit dem Personal der Metschbahn unter anderem darauf hinwies, er sei Polizist. Die Diskussionen mit dem Beschwerdeführer seien durch die Kantonspolizei Bern dadurch beendet worden, dass der Beschwerdeführer vor die Wahl gestellt worden sei, einen Maskendispens zu zeigen oder zusammen mit den Polizisten das Skigebiet zu verlassen. Gleichentags ersuchte ein Angehöriger der Kantonspolizei Bern bei der Kantonspolizei Zürich telefonisch um Auskunft, ob der Beschwerdeführer bei letzterer arbeite und teilte mit, was sich an der Mittelstation der Metschbahn zugetragen hatte.
Am 23. Dezember 2021 stellte die Kantonspolizei dem Beschwerdeführer die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses in Aussicht und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführer liess in der Folge hierzu schriftlich Stellung nehmen. Am 7. Januar 2022 verfügte die Kantonspolizei die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Beschwerdeführers. Die Kündigung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer wahrheitswidrig krankgemeldet und dadurch die Kantonspolizei um Arbeitszeit geprellt habe. Zudem habe er gegenüber den Mitarbeitenden der Metschbahn und der Kantonspolizei Bern ein Verhalten an den Tag gelegt, welches mit einer Anstellung als Polizist nicht vereinbar sei. Darüber hinaus seien frühere Vorfälle zu berücksichtigen.
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seine Aufgaben als Kantonspolizist stets vollumfänglich erfüllt; seine fristlose Kündigung sei Teil einer Kampagne der Kantonspolizei, wo Meinungsäusserungen zu den Corona-Massnahmen „verpönt seien“. Bereits der Verweis vom 15. Januar 2021 sei unrechtmässig erfolgt, da das „(polizeiinterne) Verteilen eines Formulars zur Unterschriftensammlung“ von der Meinungsfreiheit geschützt sei. Sodann sei er vom 21. bis am 24. Dezember 2021 aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig gewesen. Er habe sich zur Genesung in den Bergen aufgehalten und habe nicht vorgehabt, dort Ski zu fahren. Er habe mit den Mitarbeitern der Metschbahn lediglich eine sachliche juristische Diskussion geführt und nur auf Nachfrage der Angehörigen der Kantonspolizei Bern mitgeteilt, er arbeite bei der Kantonspolizei Zürich.
Der Polizist war zwar öffentlich-rechtlich angestellt, allerdings gilt im Wesentlichen das Gleiche wie bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Da der Polizist bereits verwarnt worden ist, ist bei einem weiteren Fehlverhalten eine fristlose (ausserordentliche) Kündigung ohne weiteres möglich (Unzumutbarkeit des Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses). Vorliegend erfolgte die fristlose Kündigung unter Würdigung mehrerer Punkte. Auch ohne Vorgeschichte wäre es jedoch möglich gewesen, allein gestützt auf das ungerechtfertigte Blaumachen und dessen konkrete Umstände (Verhalten gegenüber der Berner Kantonspolizei) fristlos zu kündigen:
4.2 (…) Das Vorspiegeln einer Arbeitsunfähigkeit mit dem Ziel, zusätzliche Freizeit zu erlangen, ist eine Pflichtverletzung, die abhängig von den Umständen des Einzelfalls einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung des Arbeitnehmers darstellen kann (vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 337 N. 5 S. 1106; VGr, 27. Februar 2020, VB.2019.00676, E. 4.2).
Das Verwaltungsgericht betrachtete die Darlegungen des Polizisten als faule Ausreden:
4.4 Aus den Akten ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Beschwerdeführers. Es gibt insbesondere keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer vor der Gewährung des rechtlichen Gehörs zur fristlosen Entlassung psychische Probleme äusserte. Zum wiederholten Bezug von unbezahltem Urlaub ergibt sich sodann aus den Akten, dass dieser zum Zweck einer Nebenbeschäftigung und von Sportaktivitäten erfolgte.
Vor diesem Hintergrund ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer eine psychische Krankheit hatte, die vom 21. bis am 24. Dezember 2021 zu einer Arbeitsunfähigkeit führte und die sich dann ohne Beizug einer medizinischen Fachperson innert weniger Tage durch Wintersport in den Bergen heilen liess, sodass seine Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt war. Ebenfalls nicht glaubhaft ist, dass er in Skikleidung und -ausrüstung in einem Skigebiet einen Zweitagespass kaufte, jedoch nicht Ski fahren wollte.
Genauso wenig vermag an diesem Schluss das vom Beschwerdeführer eingereichte ärztliche Zeugnis vom 7. Februar 2022 zu ändern. Das Zeugnis wurde zu einem Zeitpunkt ausgestellt, als der Beschwerdeführer schon seit mehr als einem Monat von seiner angeblichen Krankheit genesen war und beruht ausschliesslich auf dessen Schilderungen, weshalb es nicht zum Beweis einer Arbeitsunfähigkeit taugt.
Nach dem Gesagten ist erwiesen, dass sich der Beschwerdeführer wahrheitswidrig krank meldete, um seiner Arbeitspflicht zu entgehen, was eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt.
Zudem erinnerte das Verwaltungsgericht an die Vorbildfunktion der Polizei und an frühere Verfehlungen:
4.5 Sodann ist dem Beschwerdeführer auch vorzuhalten, dass er mit seinem Verhalten wiederholt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kantonspolizei als politisch neutrale Vertreterin des Staates gefährdete. So war bereits im Herbst 2020 ein Verweis gegen ihn ausgesprochen worden, unter anderem weil er mit seinem Dienstmotorrad in seiner Dienstuniform bei der Kaserne D vorfuhr, um Unterschriften für das Referendum gegen die Änderung des Covid-19-Gesetzes zu sammeln. Die Unterschriftensammlung des Beschwerdeführers erfolgte entgegen seinen Vorbringen nicht intern bei der Kantonspolizei, sondern gegenüber Drittpersonen. Bereits dieser Vorfall stellte eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal der Beschwerdeführer (billigend) in Kauf nahm, dass bei den betroffenen Drittpersonen Zweifel über die politische Neutralität der Kantonspolizei geweckt wurden. Daran vermag auch der Verweis des Beschwerdeführers auf seine Meinungsfreiheit nichts zu ändern. Dass es ihm verboten ist, im Dienst bei Drittpersonen Unterschriften für ein Referendum zu sammeln, stellt keinen Eingriff in seine Grundrechte dar.
Am 22. Dezember 2021 weigerte sich der Beschwerdeführer sodann mit dem Hinweis, er sei Polizist, gegenüber Mitarbeitenden der Metschbahn in Lenk, die geltende Maskentragepflicht zu beachten oder einen Maskendispens vorzuweisen, obwohl er einen solchen dabeihatte. Auch dieser Versuch, einen Zusammenhang zwischen seiner Stellung als Polizist und seiner Weigerung, die geltenden Vorschriften zu beachten, herzustellen, stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Nicht zutreffend ist sodann die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sich nur auf ausdrückliche Nachfrage der Berner Kantonspolizei als Polizist zu erkennen gegeben. Aus dem Journaleintrag der Berner Kantonspolizei vom 22. Dezember 2021 ergibt sich, dass er bereits vor dem Eintreffen der Polizei darauf hinwies, er sei Polizist.
4.6 In beiden Fällen war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seine Rolle als Polizist von seinem politischen Aktivismus zu trennen. Nachdem diese Vorfälle mehrfach vorkamen und der Beschwerdeführer auch nach einem Verweis sein Verhalten nicht änderte, war es der Kantonspolizei nicht mehr zumutbar, ihn weiterhin zu beschäftigen. Entgegen dem Beschwerdeführer erübrigte sich die Durchführung einer Mitarbeiterbeurteilung oder die Gewährung einer Bewährungsfrist.
Das führte zur Abweisung der Beschwerde, welche jedoch offensichtlich von Anfang keine Aussicht auf Erfolg hatte:
6. Da sich die fristlose Entlassung des Beschwerdeführers nach dem Gesagten als rechtmässig erweist, hat der Beschwerdeführer weder Anspruch auf Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist, noch auf eine Entschädigung. Die Beschwerde ist abzuweisen.