Im Falle der Trennung der Kindseltern entscheidet das Einzelgericht über die Obhut der Kinder (Art. 176 Abs. 3 ZGB). Ein Entscheid über die alleinige elterliche Sorge erfolgt dagegen nur in Ausnahmefall (Art. 298 Abs. 1 ZGB).
Die Obhut ist ein Teilaspekt der elterlichen Sorge. Unter Obhut verstand man unter altem Recht (bis Juni 2014) zwei verschiedene Dinge:
a) die tägliche Betreuung und die Unterkunft des Kindes (faktische Obhut),
b) das Recht, über den Aufenthaltsort zu entscheiden.
Das Bundesgericht führte deshalb im Jahr 2010 in einem Entscheid Folgendes aus (BGE 136 III 353):
3.2 Das Obhutsrecht ist ein Teil der elterlichen Sorge. Sein Kern ist die Befugnis, den Aufenthaltsort des Kindes sowie die Art und Weise seiner Unterbringung zu bestimmen (BGE 128 III 9 E. 4a); was den unselbständigen Wohnsitz des Kindes anbelangt, bestimmt Art. 25 Abs. 2 ZGB, dass dieses bei getrennten Eltern den Wohnsitz des Elternteils hat, unter dessen Obhut es steht. Des Weiteren ist der Träger des Obhutsrechtes verantwortlich für die tägliche Betreuung, Pflege und Erziehung des Kindes; teilweise wird dabei auch von faktischer Obhut (garde de fait) gesprochen (vgl. etwa STETTLER, in: SPR III/2, S. 233; BRÄM, in: Zürcher Kommentar, N. 81B zu Art. 176 ZGB). In der Rechtsprechung wird allgemein nicht zwischen Obhutsrecht und faktischer Obhut unterschieden, sondern generell von Obhut gesprochen, mit welcher das gesamte Rechtsbündel (Aufenthaltsbestimmung, tägliche Betreuung, Pflege und Erziehung) gemeint ist.
Wird die Obhut auf einen Elternteil übertragen, verbleibt dem Inhaber der elterlichen „Restsorge“ im Wesentlichen (zum Besuchsrecht vgl. E. 3.4) ein Mitentscheidungsrecht bei zentralen Fragen der Lebensplanung des Kindes. Dabei ist zu denken ‒ stets im Sinn von Grundsatzentscheidungen ‒ an die Namensgebung (vgl. Art. 301 Abs. 4 ZGB), an die allgemeine und berufliche Ausbildung (vgl. Art. 302 ZGB), an die Wahl der religiösen Erziehung (vgl. Art. 303 ZGB), an medizinische Eingriffe und andere einschneidende bzw. das Leben des Kindes prägende Weichenstellungen wie beispielsweise die Ausübung von Hochleistungssport.
Was die Ausbildung des Kindes anbelangt, ist die Einschulung am neuen Ort als solche durch das Aufenthaltsbestimmungsrecht als wesentlichster Teilgehalt des Obhutsrechts abgedeckt, ergibt sich doch die Tatsache eines Schulwechsels direkt und zwangsläufig aus der Verlegung des Wohnortes und der betreffenden örtlichen Schulpflicht. Dies gilt jedenfalls, soweit die Schulsituation vergleichbar ist; einzig bei Entscheidungen, die über den eigentlichen Ortswechsel hinausgehen wie etwa bei einem Wechsel von der öffentlichen Schule zu Privatunterricht, in ein Internat, zu einer streng religiösen Schule und dergleichen mehr, wäre das Sorgerecht des anderen Elternteils betroffen.
Der Wegzug in ein anderes Land, aber auch ein solcher innerhalb der Schweiz kann schliesslich dazu führen, dass bei eingeschulten Kindern die (Haupt-)Unterrichtssprache wechselt. Obwohl dies indirekt durchaus auch eine Weichenstellung für das spätere Leben des Kindes sein kann, hat der Mitinhaber der elterlichen Sorge dies insoweit hinzunehmen, als die Einschulung am neuen Ort eine unmittelbare Folge des Aufenthaltsbestimmungsrechts des obhutsberechtigten Elternteils ist und die Unterrichtssprache am neuen Ort der Disposition der Eltern in der Regel entzogen ist. Der Inhaber der elterlichen „Restsorge“ hat ein Mitbestimmungsrecht insoweit, als Fragen der Sprachwahl elternseitig beeinflussbar sind (etwa bei einer zweisprachigen Schule an der Sprachgrenze, bei der Wahl eines Internates mit einer bestimmten Unterrichtssprache, bei der Fremdsprachenwahl in der Schule, aber insbesondere auch bei der Sprachregelung im häuslichen Umfeld).
3.3 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Inhaber der alleinigen Obhut ‒ unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches (z. B. Wegzug ohne plausible Gründe bzw. ausschliesslich zur Vereitelung von Kontakten zwischen Kind und anderem Elternteil) ‒ mit den Kindern wegziehen darf, namentlich auch ins Ausland, ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Bewilligung bedürfte. Die Ausübung der elterlichen Sorge wie auch des Obhutsrechtes als dessen Teilgehalt muss jedoch stets auf das Wohl des Kindes gerichtet sein (vgl. Art. 301 Abs. 1 ZGB). Ist dessen Wohl gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Vormundschaftsbehörde ‒ bzw. der Eheschutz- oder Massnahmerichter (vgl. Art. 315a Abs. 1 ZGB) ‒ die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Dazu gehören als mildeste Massnahme in der Stufenfolge der Kindesschutzmassnahmen insbesondere Weisungen nach Art. 307 Abs. 3 ZGB, die sämtliche Bereiche elterlichen Handelns erfassen können und die Maximen der Subsidiarität, Komplementarität und Proportionalität erfüllen müssen. Weil für Kinderbelange die Offizialmaxime gilt, kann die Vormundschaftsbehörde oder das mit den Kinderbelangen befasste Gericht von Amtes wegen Massnahmen im Sinn von Art. 307 ff. ZGB treffen; in der Regel geschieht dies aber auf Antrag eines Elternteils.
Was nun den Wegzug anbelangt, kann dem obhutsberechtigten Ehegatten mit einer auf Art. 307 Abs. 3 ZGB gestützten Weisung untersagt werden, das Kind ausser Landes zu bringen, soweit dessen Wohl dadurch ernsthaft gefährdet würde. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass anfängliche Integrations- und/oder sprachliche Schwierigkeiten in aller Regel keine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls begründen. Diese sind in mehr oder weniger grossem Umfang einem jeden Wechsel des Wohnortes inhärent, und zwar nicht nur bei einem Wegzug ins Ausland, sondern auch bei einem Wechsel in einen anderen Landesteil, und sie würden in weitgehend gleicher Weise auch dann auftreten, wenn nicht nur der Obhutsberechtigte, sondern einvernehmlich die ganze Familie wegzöge. Vor diesem Hintergrund wird eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls bei kleineren Kindern nur ganz selten gegeben sein, aber auch bei etwas älteren Kindern ist insbesondere der blosse Tatbestand der Einschulung am neuen Ort für sich genommen kein Hinderungsgrund, würde dies doch letztlich bedeuten, dass Familien mit eingeschulten Kindern nicht mehr ihren Wohnort verändern dürften bzw. diesfalls die Vormundschaftsbehörde jeweils von Amtes wegen intervenieren müsste; eine Wohnsitzfixierung bei eingeschulten Kindern widerspräche indes der sozialen Wirklichkeit.
Sinngemäss gilt das Gesagte auch für das Besuchsrecht. Wohl trifft es zu, dass die Besuchsrechtsausübung bei grösserer Distanz zunehmend erschwert wird, zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch. Dies ist indes für sich allein kein Grund, dem getrennten und allein obhutsberechtigten Ehegatten den Wegzug ins Ausland zu verbieten, jedenfalls wenn mit dem anderen Elternteil weiterhin ein persönlicher Verkehr möglich bleibt und der Wegzug auf sachlichen Gründen beruht; es würde nicht angehen, demjenigen Elternteil, der die ganzen Erziehungslasten trägt, selbst für den Normalfall eine faktische Residenzpflicht in der Nähe des bloss besuchsberechtigten Elternteils aufzuerlegen und ihm damit gegebenenfalls auch einen Umzug innerhalb der Schweiz zu verwehren (in diesem Sinn bereits BGE 101 II 200). Vielmehr ist der grösseren Distanz mit einer angepassten Regelung des persönlichen Umgangs Rechnung zu tragen, indem etwa weniger, aber (soweit möglich, namentlich bei eingeschulten Kindern) längere Wochenenden oder als Kompensation für die selteneren Besuchswochenenden ein ausgedehntes Ferienrecht gewährt wird (vgl. BGE 95 II 385 E. 3 S. 388).
Eine auf Art. 307 ZGB gestützte Weisung, mit welcher dem allein obhutsberechtigten Ehegatten untersagt wird, mit dem Kind ins Ausland oder in einen anderen Landesteil zu ziehen, ist demnach nur gerechtfertigt, wenn das Wohl des Kindes dadurch gefährdet wäre. Zu denken ist etwa an den Fall, dass das Kind an einer Krankheit leidet und ihm im geplanten Zuzugsstaat die nötige medizinische Versorgung nicht gewährt werden kann, dass es in der Schweiz fest verwurzelt ist und zum Zuzugsstaat kaum eine Beziehung hat oder dass es relativ nahe an der Mündigkeit steht und bei deren Erreichen voraussichtlich wieder in die Schweiz zurückkehren würde. Insbesondere bei älteren Kindern wird sodann deren Meinungsäusserung im Rahmen der Anhörung eine gewichtige Rolle spielen. Im Übrigen ist nicht zu verkennen, dass bei der erwähnten Gefährdung des Kindeswohls ohnehin häufig eher eine Obhutszuteilung an den anderen Elternteil im Vordergrund steht und sich damit die Frage einer Weisung gemäss Art. 307 ZGB gar nicht erst stellt. (…)
3.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass der alleinige Inhaber der Obhut unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes befugt ist, mit den Kindern ins Ausland zu ziehen, ohne dass er hierfür einer gerichtlichen oder behördlichen Bewilligung bedürfte und ohne dass er sich dabei nach schweizerischem Recht strafbar machen würde oder der Inhaber der elterlichen „Restsorge“, soweit dem alleinigen Obhutsinhaber der Wegzug nicht gerichtlich oder durch die Vormundschaftsbehörde untersagt worden ist, ein Rückführungsgesuch gemäss HKÜ stellen könnte.
Mit dem Inkrafttreten der ZGB-Revision betreffend die gemeinsame elterliche Sorge am 1. Juli 2014 hat sich diese Rechtsprechung jedoch überlebt.
Der Bundesrat führte in der Botschaft Folgendes aus:
Der in Artikel 133 Absatz 1 E-ZGB aufgeführte Begriff der Obhut nimmt Bezug auf die faktische Betreuung des Kindes. Welche Rechte sich daraus für den betreuenden Elternteil ergeben, regelt der neue Artikel 301 Absatz 1bis.
Art. 301
1bis Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1. die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2. der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.
Ferner führte der Bundesrat in der Botschaft aus:
Anders als heute ist es dem Eheschutzgericht damit verwehrt, den Eltern die gemeinsame elterliche Sorge zu belassen und gleichzeitig das Recht, über den künftigen Aufenthaltsort des Kindes zu befinden, einem Elternteil allein zu überlassen.
Somit ist im Eheschutzverfahren unter Obhut nur noch die faktische Obhut zu verstehen. Die Obhut beinhaltet demnach nicht mehr das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Vielmehr wird die Bestimmung des Aufenthaltsortes bei gemeinsamer elterlicher Sorge nun gesetzlich geregelt:
Art. 301a II. Bestimmung des Aufenthaltsortes
1 Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
2 Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies der Zustimmung des andern Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde, wenn:
a. der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt; oder
b. der Wechsel des Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge den persönlichen Verkehr durch den andern Elternteil hat.
Die gesetzliche Regelung des Aufenthaltsortes ist zwar lobenswert, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Bestimmung in der Praxis nur schwer durchzusetzen ist. Wenn ein Elternteil ohne Zustimmung den Wohnsitz verändert, so ist die Vollstreckung eines Rückführungsentscheides, soweit ein solcher überhaupt erfolgt, wenig wahrscheinlich. Im Wissen um diese Situation legen es Eltern häufig darauf an, Fakten zu schaffen, um sie im Nachhinein zu legalisieren. Daran wird die neue gesetzliche Regelung auch nichts ändern.