1. Die neuen Gesetzesbestimmungen
In meinem Beitrag „Weniger KESB ist mehr KESB“ habe ich mich mit der verfahrensrechtlichen Stellung von unverheirateten Eltern beschäftigt. Nach wie vor werden unverheiratete und verheirate Eltern nicht gleich behandelt. Wenn sich Ehepaare trennen, kann in einem gerichtlichen Eheschutz- oder Scheidungsverfahren die elterliche Sorge, Obhut, Betreuung und der Kinderunterhalt geregelt werden. Für unverheiratete Paare ist für die Kinderbelange jedoch die KESB zuständig. Für den Kinderunterhalt ist bei einer Einigung die KESB, ansonsten das Gericht (Unterhaltsklage) zuständig.
Nur per Zufall bin ich darauf aufmerksam geworden, dass mit der Änderung des Zivilgesetzbuches vom 20. März 2015 (Kinderunterhalt), welche auf den 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, auch Änderungen in diesem Bereich vorgenommen worden sind. Es wurde quasi still und heimlich eine Art Trennungsklage für Konkubinatspaare eingeführt. Damit wurde teilweise gesetzlich umgesetzt, was ich in meinem Beitrag vorgeschlagen habe.
Diese Gesetzesänderungen wurden nicht vom Bundesrat vorgeschlagen, weshalb dazu auch keine Vernehmlassung durchgeführt worden ist. Folglich finden sich dazu auch keine Erläuterungen in der Botschaft. Vielmehr wurden diese Änderungen erst im Rahmen der parlamentarischen Beratung in das Gesetz eingefügt.
Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hat entschieden, dass Art. 298b Abs. 3 ZGB um einen zweiten Satz, Art. 298d ZGB um einen dritten Absatz und Art. 304 ZPO um einen zweiten Absatz ergänzt werden:
Art. 298b ZGB
Aquater. Anerkennung und Vaterschaftsurteil / II. Entscheid der Kindesschutzbehörde
(…)
3 Zusammen mit dem Entscheid über die elterliche Sorge regelt die Kindesschutzbehörde die übrigen strittigen Punkte. Vorbehalten bleibt die Klage auf Leistung des Unterhalts an das zuständige Gericht; in diesem Fall entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.
(…)
Art. 298d ZGB
Aquater. Anerkennung und Vaterschaftsurteil / IV. Veränderung der Verhältnisse
1 Auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder von Amtes wegen regelt die Kindesschutzbehörde die Zuteilung der elterlichen Sorge neu, wenn dies wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2 Sie kann sich auf die Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken.
3 Vorbehalten bleibt die Klage auf Änderung des Unterhaltsbeitrags an das zuständige Gericht; in diesem Fall regelt das Gericht nötigenfalls die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange neu.
Art. 304 ZPO
Zuständigkeit
1 Über die Hinterlegung, die vorläufige Zahlung, die Auszahlung hinterlegter Beiträge und die Rückerstattung vorläufiger Zahlungen entscheidet das für die Beurteilung der Klage zuständige Gericht.
2 Im Fall einer Unterhaltsklage entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.
Zu diesen Bestimmungen findet sich einzig eine Stellungnahme von Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel in der nationalrätlichen Debatte vom 19. Juni 2014:
Wie Sie der Fahne entnehmen können, beantragt die Kommission durch eine Ergänzung der Artikel 298b und 298d ZGB und Artikel 304 ZPO im Weiteren die Beseitigung einer Doppelspurigkeit zwischen dem Gericht und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, mit dem Ergebnis, dass jeweils nur eine Stelle für die Regelung aller offenen oder streitigen Fragen zuständig ist. Das ist die sogenannte Kompetenzattraktion.
Erst später wurde durch die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats eine verfahrensrechtliche Ergänzung vorgenommen:
Art. 198 ZPO
Ausnahmen
Das Schlichtungsverfahren entfällt:
(…)
bbis. bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB);
(…)
Ständerat Stefan Engler gab für die Kommission in der ständerätlichen Debatte vom 2. Dezember 2014 folgende Stellungnahme ab:
Ich kann zu Artikel 198 Buchstabe bbis Folgendes sagen: Weil es sich bei der Unterhaltsklage um eine selbstständige Klage handelt, ist es notwendig, im Gesetz ausdrücklich eine Ausnahme vom obligatorischen Schlichtungsverfahren aufzunehmen, wenn man das will. Weil sich die Parteien in den vorliegend relevanten Themen und strittigen Punkten bereits an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gewandt und dort erfolglos eine Einigung gesucht haben, erweist sich der Verzicht auf das Schlichtungsverfahren als zweckmässig.
Es ist zwar lobenswert, dass Parlamentarier auf eine wichtige Problematik gestossen sind und eine Regelung vorgenommen haben. Allerdings wurden diese Gesetzesbestimmungen nicht einer eingehenden Diskussion unterworfen, weshalb bei mir der Eindruck einer Hauruckübung zurückbleibt. Wenn man diese Gesetzesänderung genauer analysiert, wird ersichtlich, dass diese problematisch, ungenügend, teilweise unklar und wenig praktikabel ist.
2. Kinderunterhaltsklage als Trennungsklage
2.1. Allgemeines
Mit dieser Gesetzesänderung wird die Kinderunterhaltsklage zu einer Art Trennungsklage für unverheiratete Paare aufgemotzt. Neben dem Kinderunterhalt kann das Gericht auch weitere Kinderbelange (elterliche Sorge, Obhut, Betreuung) regeln.
Allerdings ist diese gesetzliche Regulierung unvollständig. Konkubinatspaare können im Trennungsfall insbesondere auch ein Bedürfnis haben, dass die Zukunft eines gemeinsamen Mietvertrags gerichtlich geregelt werden kann (vgl. Art. 121 ZGB, Wohnung der Familie bei Ehepaaren). Eine Regelung betreffend die Wohnung liegt auch im Kindesinteresse.
Dass es sich nicht wirklich um eine eigentliche Trennungsklage handelt, zeigt schon der Umstand, wer die Parteien der Klage sind, denn schliesslich werden die Parteirollen der Unterhaltsklage übernommen. Und hier haben wird schon ein erstes, gravierendes Problem, welches gegen dieses rechtliche Konstrukt spricht. Darum habe ich in meinem Beitrag „Weniger KESB ist mehr KESB“ die Schaffung einer eigentlichen Trennungsklage – in Anlehnung an das Eheschutzbegehren – für unverheiratete Paare vorgeschlagen.
Grundsätzlich sind zwei Fallkonstellationen denkbar:
1. die erstmalige Regelung des Kinderunterhaltes,
2. die Abänderung einer bestehenden Unterhaltsregelung.
2.2. Unterhaltsklage
Bei einer erstmaligen Regelung des Kinderunterhaltes ist immer das Kind der Kläger. Die unterhaltsverpflichteten Personen (Vater und/oder Mutter) sind die Beklagten.
Art. 279 ZGB
D. Klage / I. Klagerecht
1 Das Kind kann gegen den Vater oder die Mutter oder gegen beide klagen auf Leistung des Unterhalts für die Zukunft und für ein Jahr vor Klageerhebung.
Früher war die Situation ganz einfach. Das Kind lebte bei der Mutter. Sie hatte die alleinige elterliche Sorge. Dem Kindsvater wurde nur ein Besuchsrecht zugestanden. Zudem war er verpflichtet, Unterhaltszahlungen zu leisten. Die Kindsmutter konnte das Kind als gesetzliche Vertreterin bei einer Unterhaltsklage vertreten.
Heute ist die Situation komplizierter. Der unverheiratete Kindesvater hat die Möglichkeit, die gemeinsame elterliche Sorge zu bekommen und die Betreuungsanteile sind grösser. Das Gesetz spricht sogar von alternierender Obhut.
Die Unterhaltsklage ist primär auf die Zahlung von Unterhaltszahlungen ausgerichtet. Der Unterhalt wird jedoch auch durch Pflege und Erziehung geleistet.
Art. 276
A. Allgemeines / I. Gegenstand und Umfang
1 Der Unterhalt wird durch Pflege, Erziehung und Geldzahlung geleistet.
2 Die Eltern sorgen gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen.
3 Die Eltern sind von der Unterhaltspflicht in dem Mass befreit, als dem Kinde zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten.
Wenn die Betreuung geteilt ist, ist es erforderlich, eine gesamthafte Betrachtung vorzunehmen, da der Unterhalt in verschiedener Weise geleistet werden kann. Das macht die Unterhaltsberechnung sehr viel komplizierter. Bei einer geteilten Obhut ist es in der Regel nicht mehr ausreichend, nur Unterhaltszahlungen festzulegen, sondern es muss auch festgehalten werden, wer welche regelmässigen Kosten (z.B. Krankenkasse) übernimmt. Zudem stellt sich die Frage des Betreuungsunterhaltes.
Es fragt sich, ob bei Verhältnissen mit geteilter Betreuung die Unterhaltsklage des Kindes nicht eigentlich gegen beide Eltern gerichtet sein müsste. In dieser Konstellation wäre klar, dass die Eltern das Kind nicht mehr gesetzlich vertreten können, da ein Interessenkonflikt vorliegt, da ein Elternteil nicht gleichzeitig das Kind als Kläger vertreten und beklagte Person sein kann.
Wenn mit der Unterhaltsklage zudem noch die elterliche Sorge, die Obhut und die Betreuung geregelt werden sollen, liegt offensichtlich ein Interessenkonflikt vor, was eine elterliche Vertretung des Kindes ausschliesst. Ein Elternteil kann bestrebt sein, einen möglichst hohen Betreuungsanteil für sich herauszuholen, was nicht unbedingt dem Kindesinteresse entsprechen muss.
Art. 306 ZGB
B. Inhalt / V. Vertretung / 2. Innerhalb der Gemeinschaft
1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.
2 Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.
3 Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.
Art. 308 ZGB
C. Kindesschutz / II. Beistandschaft
1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2 Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.
3 Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
Wenn also mit einer Unterhaltsklage auch Kinderbelange geregelt werden sollen, wäre das richtige Vorgehen, zunächst bei der KESB vorstellig zu werden, damit diese eine Beistandschaft im Sinne von Art. 308 ZGB errichtet. Der Beistand würde dann die Klage in Namen des Kindes beim Gericht erheben.
In diesem Zusammenhang fragt sich, ob die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Kindes überhaupt befugt ist, für das Kind eine Unterhaltsklage bei Gericht einzureichen, mit der auch Kinderbelange geregelt werden sollen. Das Gericht wird dieses Vorgehen wohl akzeptieren, wird aber sofort eine Vertretung des Kindes veranlassen. Hier fragt sich, ob das Gericht selbst oder ob die KESB zuständig ist, einen Beistand einzusetzen.
Gemäss Art. 299 ZPO ordnet das Gericht wenn nötig die Vertretung des Kindes an und bezeichnet als Beistand eine in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person. Diese Bestimmung bezieht sich auf eherechtliche Verfahren. In diesen Verfahren sind die Kindeseltern Prozessparteien. Bei einer Unterhaltsklage ist das Kind jedoch selbst Prozesspartei. Es geht somit nicht um eine eigentliche Vertretung, sondern jemand mit originärer Entscheidkompetenz muss eingesetzt werden. Die Mutter kann eigentlich die Unterhaltsklage wegen des Interessenkonflikts gar nicht rechtsgültig einreichen. Vielmehr muss diese nachträglich durch einen Beistand bestätigt werden. Die Situation ist vergleichbar mit einer Vaterschaftsklage, bei der das Kind durch einen Beistand und nicht durch die Mutter vertreten wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass nicht das Gericht eine Vertretung des Kindes anordnen kann, sondern dass vielmehr das Gericht die KESB einladen muss, eine Beistandschaft für das Kind zu errichten und einen Beistand zu benennen.
Das Bundesgericht gesteht ferner dem Inhaber der elterlichen Sorge das Recht zu, die Unterhaltsansprüche im eigenen Namen vor Gericht geltend zu machen:
Art. 318 Abs. 1 ZGB; Abänderung des Unterhaltsbeitrages für ein aussereheliches Kind; Legitimation des Inhabers der elterlichen Sorge.
Der Grundsatz, wonach aufgrund von Art. 318 Abs. 1 ZGB der Inhaber der elterlichen Sorge die Rechte des minderjährigen Kindes in eigenem Namen ausüben und vor Gericht oder in einer Betreibung geltend machen kann, indem er persönlich als Partei handelt, gilt für alle Fragen vermögensrechtlicher Natur, einschliesslich diejenigen betreffend die Unterhaltsbeiträge. Die Aktiv- oder Passivlegitimation muss deshalb dem Inhaber der elterlichen Sorge ebenso wie dem minderjährigen Kind zuerkannt werden, auch wenn die Abänderung des Unterhaltsbeitrages für ein aussereheliches Kind streitig ist (E. 2).
3.2 (…)
Gläubiger des Unterhaltsanspruchs ist demnach – und war bereits zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils – das Kind und gemäss Art. 279 ZGB ist es zur prozessualen Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs aktivlegitimiert. Es ist denn auch ab seiner Geburt parteifähig, wobei der gesetzliche Vertreter für das Kind handelt, solange es noch nicht prozessfähig ist (Art. 304 ZGB; BGE 129 III 55 E. 3.1.2 S. 57; Urteil 5A_104/2009 vom 19. März 2009 E. 2.2, in: FamPra.ch 2009 S. 798). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat es nicht bei dieser Vertretungsbefugnis (Handeln in fremdem Namen) bewenden lassen, sondern darüber hinaus dem Inhaber der elterlichen Sorge gestützt auf Art. 318 Abs. 1 ZGB die Befugnis zuerkannt, die Rechte des unmündigen Kindes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten (insbesondere betreffend Unterhaltsbeiträge) in eigenem Namen auszuüben und vor Gericht oder in einer Betreibung selber geltend zu machen, indem der Sorgerechtsinhaber persönlich als Partei, d.h. als sog. Prozessstandschafter, handelt (BGE 136 III 365 E. 2 S. 366 ff.; BGE 129 III 55 E. 3.1.3 S. 58; BGE 84 II 241 S. 245; Urteile 5C.314/2001 vom 20. Juni 2002 E. 7d, nicht publ. in: BGE 128 III 305; 5A_661/2012 vom 17. Januar 2013 E. 4.2.1; zurückhaltend Urteil 5A_104/2009 vom 19. März 2009 E. 2.2, in: FamPra.ch 2009 S. 798).
Diese Befugnis setzt das Bestehen der elterlichen Sorge voraus (Art. 318 Abs. 1 ZGB) und endet demnach mit der Volljährigkeit des Kindes (Art. 296 ff. i.V.m. Art. 14 ZGB). Eine Ausnahme gilt insofern, als das Gericht im Scheidungsverfahren gestützt auf Art. 133 Abs. 3 ZGB (in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung; entsprechend Art. 133 Abs. 1 Satz 2 ZGB in den zuvor gültigen Fassungen; AS 1999 1131 und AS 2011 758) den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen kann. Der Inhaber der elterlichen Sorge kann in diesem Fall in eigenem Namen Volljährigenunterhalt geltend machen, d.h. die Anordnung einer Rechtsfolge verlangen, die sich erst nach Volljährigkeit des Kindes auswirkt. Dabei kann er den Prozess sogar dann in eigenem Namen fortführen, wenn das Kind während des Scheidungsverfahrens volljährig wird und es diesem Vorgehen zustimmt (BGE 129 III 55 E. 3 S. 56 ff.; Urteil 5C.277/2001 vom 19. Dezember 2002 E. 1.4.2).
Die Figur der Prozessstandschaft und ihre Ausdehnung auf alle vermögensrechtlichen Belange des Kindes (insbesondere im Bereich des Kindesunterhaltsrechts) in BGE 136 III 365 ist in der Lehre kritisiert worden (CHRISTOPHE A. HERZIG, Prozessstandschaft im Kindesunterhaltsrecht – quo vadis?, in: Kaleidoskop des Familien- und Erbrechts, Liber amicarum für Alexandra Rumo-Jungo, 2014, S. 147 ff., insbesondere S. 161 ff.). Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, braucht darauf nicht eingegangen zu werden.
Diese Rechtsprechung wird im Übrigen auch in einem Beschluss des Obergerichts vom 23. Dezember 2016 (LZ160005) bestätigt.
Die beiden Urteile des Bundesgerichts gehen von der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter aus. Heute besteht aber in der Regel die gemeinsame elterliche Sorge, was aber einen Elternteil nicht daran hindern sollte, das Kind zu vertreten. Jedenfalls können nicht beide gleichzeitig das Kind vertreten. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedenfalls nur auf vermögensrechtliche Ansprüche des Kindes. Wenn mit der Unterhaltsklage auch die Regelung von Kinderbelangen verlangt wird, kann ein Elternteil nicht im eigenen Namen die Unterhaltsklage erheben, da offensichtlich in Bezug auf die Kinderbelange ein Interessenkonflikt vorliegt.
2.3. Abänderungsklage
Die Abänderungsklage setzt einen bestehenden Unterhaltstitel voraus. Als Kläger kommt nun auch ein Elternteil in Frage. Die beklagte Person ist dann das Kind.
Art. 286 ZGB
D. Klage / V. Veränderung der Verhältnisse / 1. Im Allgemeinen
1 Das Gericht kann anordnen, dass der Unterhaltsbeitrag sich bei bestimmten Veränderungen der Bedürfnisse des Kindes oder der Leistungsfähigkeit der Eltern oder der Lebenskosten ohne weiteres erhöht oder vermindert.
2 Bei erheblicher Veränderung der Verhältnisse setzt das Gericht den Unterhaltsbeitrag auf Antrag eines Elternteils oder des Kindes neu fest oder hebt ihn auf.
3 Bei nicht vorhergesehenen ausserordentlichen Bedürfnissen des Kindes kann das Gericht die Eltern zur Leistung eines besonderen Beitrags verpflichten.
Bei der Vertretung des Kindes stellen sich bei einer Abänderung die gleichen Probleme wie bei einer Unterhaltsklage. Erneut ist eine Beistandschaft für das Kind notwendig, wenn mit der Abänderungsklage auch Kinderbelange geregelt werden sollen.
Es ist empfehlenswert, dass bei der Geburt des Kindes nicht nur die gemeinsame elterliche Sorge begründet, sondern dass zudem ein Unterhaltsvertrag abgeschlossen wird, selbst wenn der Inhalt nur darin besteht, dass im Moment kein Kinderunterhalt geschuldet ist. Damit schaffen sich die Kindeseltern für die Trennung die Möglichkeit, mit der Abänderungsklage ans Gericht zu gelangen.
2.4. Formelles
Örtlich ist das Gericht am Wohnsitz von einem der Parteien zuständig (Art. 26 ZPO).
Als Erstes stellt sich die Frage, ob man mit der Klage direkt an das Gericht gelangen kann oder ob vorgängig ein Schlichtungsverfahren beim Friedensrichter durchgeführt werden muss.
Eheschutz- und Scheidungsbegehren und Scheidungsklagen können direkt beim Gericht eingereicht werden (Art. 198 Bst. a und c ZPO). Für Kinderunterhaltsklagen war bislang ein Schlichtungsverfahren zwingend notwendig. Die ständerätliche Rechtskommission hat sich für die aufgemotzte Unterhaltsklage dagegen etwas Besonderes einfallen lassen:
Art. 198 ZPO
Ausnahmen
Das Schlichtungsverfahren entfällt:
(…)
bbis. bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB);
(…)
Um es deutsch und deutlich zu sagen: Diese neue Bestimmung ist totaler Mist. Wenn man schon eine Art Trennungsklage für Konkubinatspaare einführt, sollte man diese direkt beim Gericht einreichen können. Konkubinatspaare sollten diesbezüglich nicht anders als Ehepaare behandelt werden. Auch bei normalen Unterhaltsklagen wäre es wünschenswert, auf ein Schlichtungsverfahren zu verzichten.
Ob man die Klage direkt beim Gericht einreichen kann, davon abhängig zu machen, dass man vorgängig ein Verfahren bei der KESB hatte, ist doch etwas kurios. Ständerat Engler geht in seinem Statement davon aus, dass sich Kindeseltern, bevor eine Klage beim Gericht einreicht wird, sich immer bereits an die KESB gewendet haben. Diese Annahme ist jedoch überhaupt nicht zutreffend. Wenn zum Beispiel die Betreuung und der Unterhalt im Trennungsfall neu geregelt werden muss, macht es nur Sinn, sich an die KESB zu wenden, wenn sich die Eltern zumindest in Bezug auf den Kinderunterhalt einig sind. In strittigen Verhältnissen ist ein Gang ans Gericht unvermeidlich, weshalb eine vorgängige Anrufung der KESB folglich sinnlos ist. Die KESB ist nicht eine Art Ersatzfriedensrichter. Richtigerweise sollte die direkte Anhängigmachung der Klage (ohne vorgängiges Schlichtungsverfahren) den Parteien ermöglicht werden, wie das auch Ehepaaren in Eheschutz- und Scheidungsverfahren zugestanden wird. Es ist doch gerade der Witz von solch einer Klage, dass man die Zuständigkeit der KESB vermeiden kann.
Im Weiteren findet im gerichtlichen Verfahren das vereinfachte Verfahren Anwendung (Art. 295 ZPO). Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen (Untersuchungsgrundsatz) und ist nicht an die Anträge der Parteien gebunden (Offizialgrundsatz) (Art. 296 ZPO).
2.5. Fazit
Die Idee, die Kinderunterhaltsklage zu einer Art Trennungsklage für Konkubinatspaare aufzublasen, ist zwar nett, funktioniert in der Praxis jedoch nicht wirklich. Zudem bestehen verschiedene offene Frage, welche die Gerichte erst klären müssen.
Es ist zwar richtig, dass man verschiedene Belange in Bezug auf Kinder von unverheirateten Eltern mit einem einzigen Rechtsinstitut regeln kann und die Zuständigkeit beim Gericht konzentriert. Aber am Schluss hat man eine Regulierung, die doch nicht ohne KESB auskommt. Man öffnet die halbe Türe zum Gericht, aber durch die Hintertüre kommt die KESB doch wieder hinzu.
Das Hauptproblem ist, dass bei einer aufgemotzten Unterhaltsklage das Kind immer Prozesspartei ist. Die Eltern können das Kind wegen Interessenkonflikten nicht vertreten, weshalb folglich für das Kind eine Beistandschaft durch die KESB zu errichten ist.
Die KESB bestimmt somit den Kindesvertreter in einem gerichtlichen Verfahren. Dieser übt seine Aufgabe grundsätzlich selbstständig und unabhängig von der Meinung der Eltern aus. Allerdings ist der Beistand schliesslich gegenüber der KESB rechenschaftspflichtig. Bekanntlich setzt die KESB in der Regel Berufsbeistände ein, welche eng mit der KESB verflochten sind. Es ist an der Tagesordnung, dass sich Berufsbeistände mit der KESB austauschen und Rat einholen. Folglich hat die KESB indirekt einen nicht unerheblichen Einfluss auf das gerichtliche Verfahren. Besser wäre es, statt Berufsbeistände Anwälte mit der Beistandschaft zu betrauen, da diese von Gesetzes wegen unabhängig sind (Art. 12 Bst. b BGFA).
In einem Eheschutz- oder Scheidungsverfahren sind dagegen die Ehegatten die Prozessparteien. Das Kind hat nicht die Stellung einer Partei. Dieses wird dafür in der Regel vom Gericht persönlich angehört (Art. 298 ZPO). Das Gericht kann ausserdem bei Notwendigkeit die Vertretung des Kindes anordnen (Art. 299 und 300 ZPO). In der Praxis ist die Kindervertretung eher die Ausnahme. In der Regel kann das Gericht den Parteien eine Lösung vorschlagen, welche diese akzeptieren können.
Bei der „Trennungsklage“ für Konkubinatspaare sitzt jedoch immer ein Beistand des Kindes am Tisch. Das verkompliziert das Verfahren massiv. Ausserdem wird der Gestaltungsspielraum der Kindeseltern eingeschränkt. Ob der aufgemotzten Unterhaltsklage wirklich Leben eingehaucht wird oder ob es eher ein Papiertiger bleibt, wird die Gerichtspraxis zeigen müssen.
Grundsätzlich wäre es sehr viel sinnvoller, nicht die Unterhaltsklage zu einer Art Trennungsklage aufzublasen, sondern ein ganz neue Klage – in Anlehnung zum Eheschutzverfahren – zu schaffen, mit der Konkubinatspaare im Trennungsfall Kinderunterhalt und Kinderbelange in einem gerichtlichen Verfahren und ohne Mitbeteiligung der KESB regeln lassen können. Das Gericht könnte dann bei Bedarf selbst eine Vertretung des Kindes bestimmen (Art. 299 ZPO). Mit solch einer Regelung hätte man sehr viel mehr Rechtssicherheit als mit den neuen Bestimmungen zur Unterhaltsklage. Zudem wäre es die angemessenere Lösung für Konkubinatspaare.